01.12.2012

Eindrucksvoller Reisebericht durch die Fankurven Italiens

Auf ZDF info lief ein sehr eindringlicher Film über die aktuelle Lage der Fankultur im italienischen Fußball.

Der Italien-Experte Kai Tippmann wirkt im Film mit. Sein Blog www.altravita.com sei jedem ans Herz gelegt.

Vielen Dank an einen Freund, der mich auf den Bericht aufmerksam gemacht hat:
 
Verrückt nach Fußball - Eine Reise durch die Fankurven Italiens


Eine Fußball-Nation voller Widersprüche: Obwohl Italien als eines der Fußball verrücktesten Länder der Welt gilt, sind die Stadien leer und auch noch marode. Drei Fußball begeisterte deutsche Fans begeben sich auf eine Reise durch die Fankurven Italiens, “dem schönsten Teil des Spektakels Fußball.” Ihr Lohn: einen bleibenden Eindruck von den sprichwörtlichen “Italienischen Verhältnissen”.

10.11.2012

You can take the boy out of Rome, but you can't take Rome out of the boy

11. April 1999 - www.asromaultras.org
T minus 1 Tag zum Derby della Capitale. Morgen wird Zdenek Zeman nach 13 Jahren wieder auf der Trainerbank des AS Rom sein. Beim letzten Mal, am 11. April 1999, war ich selbst dabei. Viel zu lange war ich nicht dabei, das Herz blutet schon einige Jahre, weil ich zu lange nicht dabei war. Nichts kann mich derart mitreißen, nie liegen Glück und Leid so nah beieinander, niemand kann so viele Emotionen bei mir auslösen. Ich saß damals in der Tribuna Montemario und genoß den perfekter Blick auf das Spielfeld und auf die feurige Curva Sud. Rom gewann 3-1. Nesta, Vieri und Nedved hatten keine Chance gegen den Doppeltorschützen Marco Delvecchio. Den Schlusspunkt setzte Francesco Totti - damals wie heute Roma-Kapitän.

Trotz seiner 36 Jahre ist die Leitfigur immer noch unverzichtbarer Leistungsträger seines Teams. Mit seinen vier Toren in der laufenden Saison ist Totti in der Ewigen Torjägerliste nur noch 6 Treffer von Gunnar Nordahl (225 Tore) auf Platz 2 entfernt. Das Derby ist für Totti Fluch und Segen zugleich. Kein Spieler hat so viele Stadtduelle wie er bestritten (35) und gewonnen (12), aber auch verloren (13). Vom Torrekord von Dino da Costa (11) trennen ihn auch nur noch drei Treffer.

Osvaldo ist heiß auf Lazio - www.asromaultras.org
Der anfängliche Enthusiasmus beim AS Rom ist verflogen, das Derby wird zum wichtigen Prüfstein für Zdenek Zeman und seine Mannschaft. Mit 17 Punkten aus 11 Spielen (inklusive 3-0 gegen Cagliari am grünen Tisch) liegt Rom auf Platz 6 und damit 11 Punkte hinter Klassenprimus Juventus. Dank Osvaldo, Lamela und Totti hat Rom den besten Sturm der Liga - leider auch die zweitschlechteste Abwehr. Durch eklatante Abwehrfehler verspielte das Team bereits mehrmals sicher geglaubte Siege. Das 4-1 gegen Palermo amletzten Wochenende gibt dennoch Grund zur Hoffnung: Erstmals setzte das Team über weite Strecken die Ideen seines Trainers um und beherrschte das Spielgeschehen.

Nach zuletzt schwachen Auftritten liegt Lazio Rom liegt nur zwei Punkte vor dem AS Rom. Dabei wurde wieder deutlich, wie sehr die biancocelesti von Miroslav Klose abhängen. Das Spiel bietet schon durch die Tabellensituation genügend Brisanz. Doch am 11. November jährt sich auch der fünfte Todestag von Gabriele Sandri. Der AS Rom hatte angeboten, eine gemeinsame Pressekonferenz zu veranstalten, um ein Zeichen zu setzen - die Verantwortlichen bei Lazio Rom lehnten ab. Chance vertan.

30.09.2012

Buio pesto

Pesto? Das kennt man doch in Deutschland. Jedoch hat buio pesto wenig mit der ligurischen Küche zu tun. Es bedeutet schlicht und ergreifend stockfinster. So düster steht es um den AS Rom nach dem gestrigen Spiel beim Erzrivalen Juventus. Der Auftritt der giallorossi hatte nichts vom Geschmack der würzigen Nudelsauce - mit Ausnahme das Zerstampfte, was pesto im Grunde auch bedeutet.

Leerer Blick: Auch Totti konnte nichts richten - www.goal.com
Nach gerade mal 18 Minuten führten die Hausherren bereits mit 3-0. Unzählige Male wurde die dilettantisch agierende Abseitsfalle der Römer ausgehebelt. Die Partie wurde zum Spaziergang für den amtierenden Meister, der vor dem Halbzeitpfiff noch zwei Mal die Latte traf. Rom schaute fast nur zu. In der zweiten Hälfte traten die Gastgeber vom Gas, Rom konnte per Elfmeter den Ehrentreffer erzielen, bevor Giovinco in der Schlussminute den Torwart umkurvte und mit dem 4-1 den Schlusspunkte setzte.

Heim-Weh

Der Enthusiasmus um Zemans Rückkehr auf die römische Trainerbank ist so gut wie verpufft. Auch wenn Rom zum Teil sehr gut vor eigenem Publikum agierte, wurde noch keine Partie im Stadio Olimpico gewonnen. Gegen Bologna (2-3) und Sampdoria Genua (1-1) brach die Mannschaft in der zweiten Hälfte ein, gegen Juve war die Mannschaft von Beginn an nicht auf dem Platz.
 
Ein Glück, dass das letzte Woche abgesagte Spiel in Cagliari für Rom gewertet wurde. Die Partie in der Is Arenas hätte ohne Publikum stattfinden sollen, weil das neue Stadion, das wie ein übergroßer Einkaufswagen aussieht, noch nicht für Zuschauer freigegeben war. Trotzdem forderte am Vorabend der pittoreske Klubchef Cellino die sardischen Fans via Vereinshomepage auf, zum Spiel zu gehen. Der Präfekt musste darum das Spiel aus Sicherheitsgründen absagen. Solch einen Unsinn erlebt man nur in Italien. Cellino reagierte enttäuscht: "Ich habe nur Dauerkartenbesitzer einladen wollen, fasst alles Frauen und Kinder." Dass das Stadion eine halbe Baustelle ist und somit eine Gefahrenquelle darstellt, ist dann natürlich egal.

18.09.2012

Ohrfeigen für Rom, Feigen für die anderen

Dritter Spieltag. Und Rom macht mir schon das Leben schwer. Nach dem prestigeträchtigen Auswärtssieg bei Inter sind die giallorossi gegen Bologna wieder auf dem Boden der Tatsachen angelangt. 70 Minuten dominiert und dann doch verloren. Zwanzig Minuten Wahnsinn bedeutete drei Ohrfeigen für Rom. Und für mich.

Der Start ins Spiel gegen die bisher punktlose Truppe aus der Emilia hätte nicht besser sein können: In der siebten Minute knallt Totti die Kugel aus 25 Metern an den Pfosten, Youngster Florenzi muss nur noch einnicken. Keine zehn Minuten zeigt der zuletzt umstrittene Lamela endlich sein Können und schaufelt den Ball mit Links ins lange Eck.

In der zweiten Hälfte lässt Rom zwar nach, doch das 3-0 scheint nah. Totti trifft jedoch wieder nur den Pfosten. Zemans Doppelwechsel im Mittelfeld in der 68. Minute erweist sich als fatal. Innerhalb von einer Minute (!) nutzt Bologna individuelle Abwehrfehler zum Ausgleich aus. Was darauf folgt, habe ich unzählige Male gesehen: Rom wirft alles nach vorne, der Gegner kontert, Niederlage. Nachdem Zeman in den letzten Tagen für Aufregung sorgte, weil er den Verband in einem Interview öffentlich angegriffen hatte ("Würden Sie mit einem Ihrer Feinde wie Verbandschef Abete auch etwas essen gehen" "Er ist nicht mein Feind. Er ist ein Feind des Fußballs."), befürchteten viele Fans in Rom, dass die Schiedsrichter für die Quittung sorgen würden. Da wurde aber die Rechnung noch nicht mit den eigenen Spielern gemacht.

Souveräner traten dagegen die cugini von Lazio auf, die mit solidem Fußball bei Chievo den dritten Sieg in Folge feiern durften. Klose traf zum zweiten Mal in dieser Saison, da macht es nichts, dass nun Abwehrspieler Zauri eine Million Euro Handgeld bei seinem Transfer von Sampdoria irgendwo in der Schweiz "verschwinden" ließ. Gegen den Spieler und seinen Berater wird nun wegen Geldwäsche ermittelt.

Ebenso gut sieht es auch bei Juventus aus. Nach einer schwachen ersten Hälfte bei Genoa, wendeten die Joker, die im Hinblick auf das Spiel bei Chelsea geschont wurden, das Blatt. Als erster Herausforderer von Juve gab sich auch Neapel bisher keine Blöße. Milan dagegen enttäuscht weiterhin und kassierte gegen Atalanta bereits die zweite Heimpleite. In der Champions League müssen die rossoneri nun für Wiedergutmachung gegen Anderlecht sorgen.

05.09.2012

Forever and counting

Es ist seine 21. Profisaison. Er wird in drei Wochen 36 Jahre alt. Und hat nach dem 3-1 bei Inter Mailand seinen 996. Hackentrick* in der Serie A gespielt. Francesco Totti ist wie Rom selbst. Ewig.

Florenzi, Osvaldo, Totti - www.repubblica.it
Nach einem holprigen Saisonstart, in dem seine Roma zweimal den Rückstand gegen Catania aufholen musste, wurden wieder Unkenrufe laut, Totti sei zu alt - erst Recht für die Rolle des linken Außenstürmers. Die Kritiker wurden wieder eines besseren belehrt, Totti glänzte mit zwei Vorlagen als Ideengeber der giallorossi.

Im ersten Spitzenspiel der neuen Saison (Video-Link) bewiesen die Römer, dass sie auch zu den Titelkandidaten gehören. Bei Inter Mailand gibt es noch einige Abstimmungsprobleme, zumal mit Maicon ein weiterer Leistungsträger gen Ausland wechselte - gen Italien gibt's das kaum noch.

Juve jubelt weiter

Mit zwei Siegen legte Titelverteidiger Juventus derweil einen perfekten Saisonstart hin. Massimo Carrera, der Trainer Antonio Conte bis zum Ende seiner Sperre vertritt, fasste die Philosophie der bianconeri in einem Interview zusammen: "Ich bin lieber ein antipathischer Gewinner als ein sympathischer Verlierer." Die Turinerteilen sich die Spitze der Tabelle mit dem SSC Neapel und Lazio Rom. Aufsteiger Sampdoria liegt wegen eines Strafpunkts - bedingt durch den Wettskandal - einen Punkt zurück.

Der AC Mailand schlug nach der desolaten Heimplatte gegen Sampdoria noch einmal auf dem Transfermarkt zu und verpflichtete Nigel De Jong und Bojan Krkic. Zum Matchwinner im zweiten Saisonspiel avancierte jedoch Giampaolo Pazzini, der wenige Tage zuvor vom Stadtrivalen Inter kam. Der Mittelstürmer erzielte alle drei Treffer beim 3-1 in Bologna, wobei erst ein umstrittener Elfmeter die Partie auf die richtige Bahn lenkte.

Nach der EM ist vor der WM

Für das kommende Wochenende steht erstmal eine Länderspielpause an. Prandelli zog es vor, auf einige noch nicht ganz fitte EM-Teilnehmer wie Chiellini, Cassano und Balotelli zu verzichten. Dafür kehren Pazzini und Osvaldo dank eines starken Saisonanfangs in den Kader zurück. Zudem könnte der talentierte Neapolitaner Insigne seinen Einstand geben. Die Mission Brasilien 2014 beginnt für die Azzurri mit den Partien gegen Bulgarien und Malta.

An Brasilien denkt Francesco Totti nicht. Er hat andere Ziele. Seinen 1000. Hackentrick. Sein 271. Tor und damit Rang drei in der Ewigen Torschützenliste der Serie A. Und die zweite Meisterschaft mit seiner Roma. Aber daran denkt noch niemand - zumindest nicht laut.

* Statistiken von www.francescototti.com (Press Room > Statistics & Info)

25.08.2012

Serie A 2012/2013 - Ohne Moos geht's los!

Leere Stadien, leere Kassen, leere Phrasen. Der Abgang der Top-Spieler ins Ausland geht in Italien weiter, die meisten Transfers sind Tausch- oder Leihgeschäfte. Fast alle großen Serie-A-Klubs haben dieses Jahr den Gürtel enger geschnallt. Dennoch wird zu wenig auf Eigengewächse gesetzt.

Alter Antreiber: Pirlo. - www.goal.com
Juventus Turin hatte es letztes Jahr vorgemacht: Auch mit italienischen Spielern lassen sich Erfolge feiern. Darum überraschte es nicht, dass sich Italiens Nationaltrainer Prandelli auf den Juve-Block verlässt. Um auch in der Champions League ein Wörtchen mitreden zu können, haben die Turiner diese Philosophie zum Großteil verneint. Der routinierte Lucio kam ablösefrei von Inter Mailand. Für das Mittelfeld wurden Mauricio Isla und Kwado Asamoah verpflichtet. Der quirlige Sebastian Giovinco soll nun Alex Del Piero beerben. Zwar träumte man von Van Persie und Llorente, aber so gut gefüllt sind die Kassen auch wieder nicht.

In Mailand sieht es dagegen düster aus - vor allem bei Vizemeister Milan.  Nesta und Seedorf gingen nach Übersee, Gattuso zog es in die nahe Schweiz, Inzaghi hat nun einen Posten als Jugendtrainer. Zwar spülte der Transfer von Thiago Silva und Ibrahimovic 63 Millionen Euro in die Vereinskassen, das Geld wird jedoch für die Schuldentilgung gebraucht. Riccardo Montolivo soll nun im Mittelfeld die Fäden ziehen. Er kam natürlich ablösefrei. Die Volksseele der Anhänger kocht. Der Versuch, Kakà als Leihe von Real Madrid zurückzuholen, zeugt eher von Verzweiflung.

Wahnsinniger auf Wanderschaft: Cassano. - www.goal.com
Nun kam noch der Tausch zwischen Cassano und Pazzini mit den Stadtrivalen von Inter zustande. Die Champions-League-Sieger von 2010 möchten den enttäuschenden sechsten Platz der Vorsaison wettmachen und haben sich auf mehreren Positionen verstärkt. Für Torwart Julio Cesar kam der solide Handanovic (Udinese), die Abwehr wurde mit Silvestre (Palermo) und Pereira (Porto) verstärkt. Sicher keine Rekordtransfers, aber insgesamt intelligente Investitionen, um Andrea Stramaccioni genug Optionen zu bieten. Der jüngste Trainer der Liga steht nun vor seiner größten Bewährungsprobe.

Der SSC Neapel hat sich dagegen kaum verändert, Trainer Mazzarri baut auf ein eingespieltes Team. Zwar wurde mit Ezequiel Lavezzi eine wichtige Offensivkraft nach Paris verkauft (wen haben die nicht gekauft?), doch mit dem U21-Nationalspieler Lorenzo Insigne kehrt ein großes Talent zurück, der sich mit dem Ausnahmestürmer Cavani perfekt ergänzen könnte.

Trockener Trainerhumor: Zeman. - www.goal.com
In der Ewigen Stadt sorgt derweil Zdenek Zeman für eine große Euphorie. Nach dreizehn Jahren kehrte der erfahrene Trainer zum AS Rom zurück und impfte der Mannschaft sein ultraoffensives Spielsystem ein. Totti sieht vor seiner 21. Profisaison so drahtig aus wie schon lange nicht mehr. Er soll zusammen mit De Rossi, der das Angebot von Manchester City dankend ablehnte, die jungen Wilden zum Erfolg führen.  Neben Nationalverteidiger Federico Balzaretti konnte zudem Mattia Destro, die Entdeckung der letzten Saison, verpflichtet werden. Nach dem lethargischen Ballgeschiebe im Vorjahr gibt es nur noch den kompromisslosen Weg nach vorne. Wenn die Abwehr hält, werde ich meinen Spaß haben.

Hinter Lazio Rom stehen viele Fragezeichen, beim neuen Trainer Petkovic angefangen. Der Bosnier wurde aus Sion geholt und muss sich in Italien erst beweisen. Zur Überraschung der Saison könnte der AC Florenz werden, der Vincenzo Montella als Chefcoach gewählt hat und sich gezielt verstärken konnte. Udinese schaffte es letztes Jahr auf den dritten Platz, ob wieder solch ein Erfolg möglich ist, hängt stark von der Fitness von Totò Di Natale ab.

Was diese Saison so besonders macht: Durch den Aufstieg von Sampdoria Genua und des AC Turin sind wieder alle vier großen Derbys in der Serie A. Für Stimmung ist also gesorgt. Hoffentlich bleibt sie größtenteils positiv.

Juve und die Hexenjagd zum Saisonstart

Die Europameisterschaft ist längst verdaut. Die Olympischen Spiele? Ein Appetitzügler. Heute startet endlich die Serie A. Die fetten Jahre sind vorbei - Das Menü bietet dennoch viel Pfeffer und seinen ewig bitteren Beigeschmack.

Wie viel Feuer im italienischen Fußball steckt, konnten Fans und Experten im Sommer sehen. Die Squadra Azzurra überraschte dank einer Mischung aus taktischer Gewitztheit des Teams und unvorhersehbarem Anarchismus seiner Einzelkönner.

Supercup: Juves erster Titel. - www.goal.com
Die Kehrseite der Medaille kam vor wenigen Wochen wieder zum Vorschein. In Peking standen sich Juventus Turin und der SSC Neapel gegenüber, um den italienischen Supercup auszuspielen. Der Meister aus dem Norden gewann 4-2 nach Verlängerung und revanchierte sich damit für das verlorene Pokalfinale im Mai. Die Neapolitaner mussten dabei zwei Platzverweise und einen Elfmeter hinnehmen, weshalb die Mannschaft auf Geheiß ihres Präsidenten nicht zur Siegerehrung antrat.

Giftig wurde es auch bei den Urteilsverkündungen zum aktuellen Wettskandal. Die Rekordmeister von Juventus standen dabei im Mittelpunkt. Zwar wurden die beiden Spieler Bonucci und Pepe freigesprochen, der Meistertrainer Antonio Conte wurde jedoch für zehn Monate wegen unterlassener Anzeige von Spielabsprachen gesperrt. Das Kuriose: An Contes täglicher Arbeit ändert sich im Grunde nichts, die Sperre gilt nur für die Spieltage. Die Vereinsführung des Rekordmeisters spricht von einer Hexenjagd, obwohl die Beteiligten für mögliche Vergehen vor ihrer Zeit in Turin angehört wurden.

Wie man es bei Juventus mit dem Sportgeist hält, zeigt der Wahlspruch von Ex-Präsident Boniperti, der in die Trikots für dieses Jahr gestickt wurde: "Gewinnen ist nicht das Wichtigste, es ist das Einzige, was zählt." Juventus stürzt sich heute abend gegen Parma ins Titelrennen, davor eröffnen die Fiorentina und Udinese die Saison. Wie es um die Meisterchancen der Turiner und ihrer Konkurrenten steht, folgt in einem weiteren Beitrag.

03.07.2012

Kein neuer König in Kiew: Spanien behält die Krone.

Der Vorhang ist gefallen

Spanien hat Italien mit 4-0 besiegt. Der König des Weltfußballs konnte nicht vom Thron gestoßen werden. Ich bin nicht traurig, mein Herz war nur einige Stunden ein klein wenig schwerer als sonst. Am nächsten Morgen bleibt ein gutes Gefühl. Italien hat eine große Rolle gespielt und hat nicht nur den eigenen Fans schöne Wochen beschert. Die squadra azzurra hat es geschafft, die Klischees zu widerlegen, die die Mannschaft seit Jahren begleitet.

Das Finale

Spanien wirkten über 90 Minuten mental und körperlich frischer und zog gekonnt das typische Spiel auf, dass gerade gegen Portugal arg eingerostet wirkte. Dabei gelang es ihnen in der Defensive, Pirlo konsequent aus dem Spiel zu nehmen. Nach der Verletzung von Thiago Motta war das Spiel für die Italiener vollends gelaufen, die in den Schlussminuten einbrachen und Fernando Torres so die Chance gaben, alleiniger Torschützenkönig zu werden. Es erinnerte mich an die WM 1970 in Mexiko, als Italien nach dem Jahrhundertspiel gegen Deutschland (4-3 n.V.) mit 4-1 gegen Brasilien unterging. Doch so wie damals wurden die italienischen Nationalspieler zum Glück nicht empfangen. Die enttäuschten Fans bewarfen die Spieler bei ihrer Ankunft in Rom mit faulen Tomaten.

Selbst Iker Casillas sah gegen Ende, dass den zehn Italienern die Puste ausgegangen war und bat den Torrichter, pünktlich abzupfeifen. Italien hätte das Spiel auch mit elf Mann nur durch eine glückliche Wendung noch drehen können. Eine in meinen Augen sehr sportliche Geste, Prandellis unglückliche Wechsel waren mit den letzten beiden Toren zu hart bestraft worden.

EM-Fazit


Ich fand die Qualität des gezeigten Turniers akzeptabel. Die meisten Spiele waren ausgeglichen. Es spricht für das relativ hohe Niveau der teilnehmenden Mannschaften. Bis auf einige Ausnahmen wie Griechenland, England und Irland suchten die Mannschaften eher spielerisch zum Erfolg zu kommen. Auch wenn es zwei-drei grobe Schnitzer seitens der Schiedsrichter gab, wie das nicht anerkannte Tor der Ukraine gegen England, war auch die Leistung der Unparteiischen überraschend gut.

Spanien ist der König

Spanien behält also die Krone. Die imposante Bilanz von 12 zu 1 Treffern im Turnier unterstreicht die Ausnahmestellung dieser Mannschaft, die dank nachrückender Talente ihren Zenit längst nicht erreicht hat. Für die dreißigjährigen Stammspieler Xavi, Casillas und Xabi Alonso stehen schon würdige Nachfolger wie Thiago Alcantara, De Gea und Romeu in den Startlöchern.  Sowohl die U21 als auch die U19 Spaniens sind ebenso amtierende Europameister.

Italiens Zukunft 

Wie bereits oben angerissen bin ich sehr froh über die gute Leistung Italiens. Da Prandelli im Amt bleibt, wird die Mannschaft weiter zusammenwachsen können und bei der WM in Brasilien zusammen mit den Gastgebern, Spanien, Deutschland und Argentinien zu den Favoriten zählen. Auch wenn Buffon und Pirlo nicht mehr die jüngsten sind, wollen beide in zwei Jahren dabei sein. Die positive Nachwuchsarbeit in den Vereinen wird von zu vielen ausländischen Teams in den Profikadern leider stark beeinträchtigt, dennoch wachsen bereits außerordentliche Talente heran, die neben Balotelli die Zukunft der squadra azzurra ausmachen können. Verratti, der mit Pescara in die Serie A aufgestiegen ist, gilt als Pirlo-Nachfolger. Er gehörte bereits zum vorläufigen EM-Kader. Gerade im Sturm herrscht ein Überangebot an vielversprechenden Spielern: Destro, Immobile, El-Sharaawy und Borini - letzterer war auch bei der EM dabei - sind Namen, die man sich merken muss.

Die EM ist endlich vorbei.
Ich freue mich.
Heute ging beim AS Rom die Saisonvorbereitung los.

30.06.2012

Tanz den Balotelli

Balotelli war mit seinen Toren der Matchwinner, das Zünglein an der Waage war jedoch die italienische Überlegenheit im Mittelfeld. Jogi Löw hatte zudem aufs falsche Pferd gesetzt. Zu sehr fixierte er die Aufmerksamkeit auf Pirlo, der die Spieleröffnung zum Teil einfach an Montolivo, De Rossi und Marchisio abgegeben konnte. Eine fantastische Spielanalyse bietet spielverlagerung.de. Wahrscheinlich hat auch ein Freund recht, den ich gestern abend traf. Er brachte das deutsche Dilemma auf den Punkt - Toni Kroos hört Pur.

Größer hätte der Schock nicht sein können. Mit einem Doppelschlag knockte der böse schwarze Mann sowohl die German assertiveness einfach aus. Während die italienischen Fans in Deutschland zum Großteil friedlich feiern konnten, gab es auch sehr traurige Szenen. In Wolfsburg oder Wuppertal ließen Anhänger der deutschen Mannschaft ihrem Frust freien Lauf. Von der anti-italienischen (Bild) oder gar sexistischen (FAZ) Berichterstattung im Vorfeld ganz zu schweigen. Wenn dann noch deutsch-italienische Nachrichtenmoderatoren während der Halbzeitpause lächeln, ist der Parmesan gegessen.

Italien tanzt den Balotelli
 
Balotelli freut sich nach seinem 2-0
Freude nach dem 2-0. - sportsworldreport.com
Naja. Vielleicht wurde Balotelli Held des Spiels, weil ich vor dem Spiel zwei Turbonegro-Songs gepostet hatte? Genug schwarzer Humor für heute. Balotellis Siegerpose machte schnell die Runde und sorgt für sehr amüsante Bilder.

Die Geschichte von Mario Barwuah Balotelli stimmt nachdenklich

Mario kam in Palermo als Sohn ghanaischer Einwanderer auf die Welt. Die Familie zog einige Monate später in die Region Brescias. Da sich die Barwuahs nicht die medizinische Behandlung des schwer kranken Marios leisten konnten, wurde er den Balotellis anvertraut. Erst mit 18 durfte er die italienische Staatsangehörigkeit und auch den Nachnamen seiner neuen Familie annehmen.

Seine sensible Seite zeigt Balotelli kaum in der Öffentlichkeit. In einem Interview Anfang des Jahres erklärte er, "Rassismus entstammt aus der größten Ignoranz. Man muss bei den Kindern handeln, vor allem in der Schule." Der Satz kommt nicht von ungefähr, Mario Balotelli hatte schon vor der Profikarriere mit Rassismus zu kämpfen. Arroganz macht er zu seinem Schutzmantel. Auf und neben dem Platz.

Eine weitere Anekdote zeigt, dass ein Mensch aus viel mehr Facetten besteht, als der Anschein vermuten lässt. Als die italienische Nationalmannschaft im Vorfeld der EM Auschwitz besuchte, war Mario zu Tränen gerührt. Seine Großmutter mütterlicherseits war eine deutsche Jüdin aus Schlesien. Durch die Liebe zu einem italienischen Piloten konnte sie dem Holocaust entfliehen. Die Eltern und die jüngere Schwester seiner Großmutter wurden im KZ getötet.

Deutschland - Italien, Balotelli umarmt seine Mutter
Mario umarmt seine Mutter Silvia nach dem Spiel.
- mirror.co.uk
Ich habe meine Meinung zu Balotelli in den letzten Wochen grundlegend geändert. Ohne solche Typen wie Eric Cantona und Vinnie Jones früher oder Zlatan Ibrahimovic und Mario Balotelli wäre der Fußball um einiges ärmer.

Vor dem Spiel gegen England sagte De Rossi, mit 21 Jahren sei Mario  bereits ein ometto. Ein junger Mann, der sich seiner Verantwortung zu stellen vermag. Ein geiles Männje, wie man im Saarland sagen würde.

28.06.2012

Entscheidend ist auf'm Platz

Wie viele Sportjournalisten, Kneipentheoretiker und fußballaffine Cybernauten haben dieser Tage über dieses Spiel aller Spieler philosophiert. Wie viele harmlose Sticheleien, wie viele geschmacklose Kommentare und wie viele xenophobe Schmähungen wurden in der Realität und im Internet in den letzten Stunden verbreitet. Dazwischen gibt es die verschwindend geringe Minderheit, die sich bloß wünscht, dass der bessere gewinnen möge.

Es ist mir zwar nicht vollkommen egal geworden, aber früher hatte ich ein dünneres Fell, heute belächele ich den Stumpfsinn und die Versuche, die Fußballrivalität zwischen Deutschland und Italien noch weiter aufzubauschen. Da mein Freundes- und Bekanntenkreis fast ausschließlich aus Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit besteht, gilt wohl ein Turbonegro-Song als Song des Tages.



Ich freue mich auf das, was da kommen mag. Gerade nach dem sicher taktisch interessant, aber für den neutralen Zuschauer sehr verkrampft und ermüdend wirkenden ersten Halbfinale. Den Portugiesen gelang es, die Spanier weitestgehend unter Kontrolle zu halten. Das Offensivspiel blieb äußerst blass. Die furia roja ist nach dem Elfmeterschießen zum dritten Mal hintereinander in einem großen Finale, doch die sonst so präzisen Kombinationen führten nur zu einer Großchance in der Verlängerung, bei der Iniesta am Portugiesen Rui Patricio scheiterte.

Noch eine Partie Rasenschach brauche ich nun wirklich nicht. Vielleicht muss ich kurz traurig sein. Gehört eben dazu. Vielleicht höre ich auch ein Lied über Pizza. Dann ist alles gut.


26.06.2012

Der Pirlo-technische Effekt

Ich glaube zwar nicht an Schicksal, doch seiner Ironie kann selbst ich nicht entfliehen. Nun kommt es doch zum Duell zwischen Deutschland und Italien. Die schwarz-rot-goldene Übermannschaft, die zu viele zur deutschen Atzionalparty bewegt gegen skandalumwitterte Schwalbenkönige aus dem krisengebeutelten Südeuropa? In schwarz und weiß denke ich zum Glück nicht. Deutschland ist klarer Favorit, ohne Wenn und Aber.

Das Halbfinale ist für diese italienische Mannschaft, die gezeigt hat, dass sie sehr guten Fußball spielen kann, ein großes Ergebnis. Unverbesserliche Besserwisser gibt es mehr als genug, die das italienische Team als die Inkarnation des Anti-Fußballs ansehen. Zahlen reichen als Antwort aus.
Zahlen können aber auch nicht die Dramatik, das Nervenzittern, die Poesie zusammenfassen, die ich am Sonntagabend mit meinem Vater durchlebt habe. Mit starken Kopfschmerzen, die mich schon den Samstag begleiteten, bin ich zu meinen Eltern gefahren. Das sich dazu noch metaphorische Herzrhythmusstörungen gesellen sollten, konnte ich da noch nicht erahnen.

Die Azzurri boten ein fast perfektes Spiel. Aber nur fast, es wollte ihnen einfach kein Tor gelingen. Es ging ja schon in der vierten Minute los, als Daniele De Rossi aus 27 Metern die Kugel gegen den Pfosten knallt. Dem einärmeligen Banditen brachte sein Glücksunterhemd auch später kein Glück, in der 80. Spielminute musste er wegen Problemen mit dem Ischiasnerv das Handtuch werfen.
Ohne meinen einzigen Römer habe ich an der Nationalmannschaft gerade mal halb so viel Spaß und muss mir noch mehr Sorgen machen. Der verrückte Diamanti tut es ihm in der Verlängerung gleich, mein Herz ist zu dem Zeitpunkt schon lange aus der Hose gefallen.

Als es zum Elfmeterschießen geht, denke ich nicht an das gewonnene WM-Finale 2006. Ich denke auch nicht an die traditionell schwachen Engländer. Ich hoffe nur noch, dass ich mich vor lauter Kopf- und Herzschmerzen nicht übergeben muss.

Balotelli, der es während des Spiels auch vom Mond aus versucht hatte, verwandelt gegen seinen Vereinskollegen Joe Hart. Geht doch. Nach Gerrards Treffer ist der Deutsch-Italiener Riccardo Montolivo an. Der Phlegmatiker zeigt Nerven. Es ist alles aus. Rooney gegen die Maccaroni, 2-1 England. Ich sollte nach Hause fahren. Doch da sendet der Fußballgott einen Erzengel an den Elfmeterpunkt.

Andrea Pirlo, der halb-autistische Stratege des italienischen Spiels, ist an der Reihe. Ihm bleibt keine Wahl. Er muss italienische Poesie der englischen Prosa entgegensetzen. Er wählt den cucchiaio, den Löffel. Tottis Wahnsinn bei der Euro 2000 schiesst mir ins Gedächtnis. Pirlo war nie der schnellste Spieler, seine Gedanken umso mehr. Präzise wie ein Uhrwerk und mit der Seelenruhe eines Mannes, der bereits alles erreicht hat. Pirlo-Technik gehört in jedes Stadion. Er ist der der Kopf einer Mannschaft, die in Buffon seine Arme, in De Rossi ihr Herz und in Marchisio ihre Lunge hat.

Das Dessert war damit gegessen, der englische Wille gebrochen. Young legte zu viel Wucht in den Schuss und traf die Latte, Nocerino blieb dagegen eiskalt. Cole erinnert sich daran, dass er kein Chelsea-Trikot trägt und schenkt Buffon den Ball. Der Pastafari Diamanti macht das Halbfinale perfekt.
Ich war im Glück, trotz eines hämmernden Kopfes. Mir fehlte in dem Moment keine Tablette, sondern die Musik von Ennio Morricone.

20.06.2012

Momentaufnahme

Identifikationsfiguren haben es in sich. Mein erstes und damit wichtigstes Vorbild war und ist mein Vater. Ich habe viele seiner Werte verinnerlicht und bin froh, dass sie mich durch das Leben begleiten.

Obwohl wir demnach in vielen Dingen sehr ähnlich sind, verstehen wir oft nicht, was der eine vom anderen will. In dem Moment spielt der Fußball die Rolle des gemeinsamen Nenners. Er schlägt die Brücke zwischen dem verlorenem Gestern und dem ungewissen Morgen. Mein Vater und ich treffen uns in der Mitte.

Darum bin für das entscheidende letzte Gruppenspiel Italiens gegen Irland zu meinen Eltern gefahren. Gemeinsam schweigen oder gemeinsam im Glück schwelgen. Letzteres traf zu.

Schön war die Partie gewiss nicht, die squadra azzurra war nervös und wirkte über weite Strecken lethargisch. Gegen tapfere Iren - ein großes Lob an dieser Stelle an die Fans von der Grünen Insel - mussten es zwei Eckstöße richten.

Ja, Fußball kann leider auch sehr hässlich sein. Auch vieles, was im Rahmen der aktuellen EM passiert.  Darum bleibt er für mich eine interessante Allegorie auf das Leben. Mal schmutzig, mal bitter. Und doch wieder schön.

Danke Papa.

12.06.2012

Bunga Bunga vs. Tiki-Taka. A bad ass mothaf*cka.

Die erste Spielrunde der EURO 2012 ist vorbei. Hauptsächlich seichter Pop mit wenigen mitreißenden Momenten. Das Spitzenduell zwischen Spanien und Italien präsentierte sich bisher als rockiger Höhepunkt der Europameisterschaft.
Gruppe B: Schnitzel mit Gomez

Für die erste große Überraschung sorgte Dänemark am Samstag, die sich mit 1-0 gegen die unglücklich agierenden Niederlande durchsetzten. Eine Dänsation eben. Im Abendspiel hatte Deutschland in einem sehr taktisch geprägten Duell gegen Portugal die Nase vorn. Für Cristiano Ronaldo gab es nur Schnitzel mit Gomez. Der Motor der deutschen Mannschaft ist noch nicht auf Betriebstemperatur, aber mit dem Hurra-Fußball der letzten Jahre hat man ja auch keine Titel geholt. Notfalls kann man auch bloß Hummels in die Abwehr stellen und mehr Leute ins Mittelfeld beordern.

Gruppe C: Tik-Tak-D'oh

De Rossis Antwort auf Tiki-Taka. - guardian.co.uk
Mein volles Päckchen Zigaretten musste am Sonntag zwischen 18:00 und 19:45 Uhr dran glauben. Dem orchestralen Tiki-Taka der Iberer stand das skandalumwitterte Bunga Bunga der Italiener gegenüber. Der amtierende Welt- und Europameister überraschte mit einem 4-6-0 System, das über weite Strecken so belanglos blieb wie die Werbung für 11-88-0. Italiens Trainer Claudio Cesare Prandelli, der Name zergeht auf der Zunge wie feinstes Zitroneneis, hatte aus der Not eine Tugend gemacht und auf ein flexibles 3-5-2 umgestellt, das Iniesta, Xavi und Konsorten kaum Räume ermöglichte und schnell auf Angriff umschalten konnte. Mit einem stinknormalen Stürmer an der Stelle Balotellis hätte das Spiel sogar einen noch besseren Verlauf für Italien nehmen können. Vielleicht wurde er jedoch von den Affenlauten gegnerischer Fans aus dem Konzept geworfen.
Kroatien bewies danach gegen harmlose Iren, dass es auch ein Wörtchen in der der Gruppe C mitreden kann. Vor allem dank Man-of-the-match-džukić, der im Sechs-Millionen-Mann-Kader von Felix Magath keine Rolle mehr spielen soll. Die Kroaten bieten einen guten Mix aus Technik und Physis, Trapattonis Schützlinge werden wohl nur den Sympathiepreis gewinnen.
Gruppe D: Sheva entzaubert Ibrakadabra

England gegen Frankreich. Die einen konnten es nicht besser, die anderen wollten es scheinbar nicht. Viel mehr fällt mir dazu nicht ein. Gerade von den Franzosen hatte ich mir mehr erwartet. Zumindest wissen wir nun alle, dass bei Benzema die Schusstaste auf Dauerfeuer steht und ein neuer Controller besorgt werden muss.
Zum Abschluss trafen noch die Ukraine und Schweden aufeinander. Vom eigenen Publikum angepeitscht schafften es die Gastgeber, die Partie noch umzudrehen. Andrei TSchewtschenko (Für die deutschen Reporter hier die korrekte Aussprache) beweist, dass auch Spieler von großem Format auch gegen Ende ihrer Karriere noch für Aufsehen sorgen können. Die Skandinavier haben seit Jahren das Problem, dass bloß Zlatan Ibrahimovic internationales Format besitzt.

Ich gebe mir jetzt Slaven Bilićs Mütze voll Schlaf. Gute-Nacht-Kuss an alle. Bis zum nächsten Mal.
Bilić küsst den Flitzer - catatanbola.com

09.06.2012

Stahlhelm gegen Ronaldo? Bleiben wir auf dem Teppich!

Die EM hat begonnen. Endlich. Mit Ausnahme von Argentinien und Brasilien treffen die stärksten Nationalmannschaften der Welt bei diesem Turnier aufeinander. Dass die letzten beiden Weltmeisterschaften ausschließlich europäische Finalteilnehmer präsentierte, unterstreicht den erhöhten Anspruch der Euro 2012. Ich bin sehr auf die taktischen Entwicklungen gespannt, doch auch die politische Komponente hat es in sich.

Das Eröffnungsspiel zwischen den favorisierten Polen und den Griechen war zwar alles andere als hohe Fußballkunst, mit zwei Platzverweisen, einem verschossenen Elfmeter und viel Einsatz gab es genug Brisanz zu Beginn des Turniers. Nach dem mageren 1-1 wich der Enthusiasmus der polnischen Fans einer gewissen Ernüchterung. So ideenlos wie sich die Gastgeber gerade nach der Überzahl präsentierten, darf das Team nicht mehr auftreten, wenn es überhaupt ins Viertelfinale kommen möchte. Die Polen konnten von Glück reden, einen Tytoń ins Tor rufen zu können, nachdem Arsenal-Profi Szczęsny vom Platz flog. Elfmeter sind aber auch keine griechische Spezialität wie beispielsweise Mousakas. Eine Fußnote verdient der griechische Stürmer Samaras. Seine fußballerischen Qualitäten stehen im krassen Gegensatz zu seinem Haarwuchs. Ein Phänomen.

Russland untermauerte im Abendspiel seine Titelansprüche. Getragen vom Ostwind, der das Turnier umweht, fegte die Sbornaja das tschechische Team mit 4-1 vom Platz. Mit zwei Toren bewies der 21-jährige Alan Dsagojew sein Riesentalent. Der offensive Mittelfeldspieler von ZSKA Moskau debütierte bereits vor vier Jahren in einem Testspiel gegen Deutschland im Dress der russischen Nationalmannschaft und gilt schon lange als ein zukünftiger Weltstar.

Heute ist die Gruppe B an der Reihe, die mit den Titelkandidaten Deutschland, Niederlande und Portugal gespickt ist. Dänemark ist zwar krasser Außenseiter, präsentieren mit Christian Eriksen jedoch eines der größten Talente auf europäischer Bühne. Um 18 Uhr wird er sich mit seinen Teamkollegen gegen die Niederlande beweisen müssen, die als Vizeweltmeister in das Turnier gehen. Prunkstück der Oranje ist die Offensive um Robben, Sneijder und Van Persie. Da kann auch ein Huntelaar auf der Bank gelassen werden. Für Kopfschmerzen sorgt jedoch die Defensive, die von Verletzungssorgen geplagt ist. Das Spiel wird sowohl für die Titelansprüche als auch für die Strategie des Teams richtungweisend sein, war doch die gute WM das Ergebnis eines soliden Mannschaftspiels.

Im Anschluss findet auch das erste Spitzenduell der EM statt. Das deutsche Rezept gegen Portugal finde ich äußerst innovativ. Konditionstraining mit Gina Lisa und Stahlhelm sollen vielleicht bloß von der Teppichaffäre des deutschen Entwicklungshilfeministers ablenken. Ich gehe eher davon aus, dass das deutsche Team versuchen wird, den Spielrhythmus zu bestimmen, so dass Cristiano Ronaldo gar nicht zum Zuge kommt. Es wäre nämlich ein großes Risiko, sich bloß auf den Star von Real Madrid zu konzentrieren, weil die Selecção das Quinas mit Nani, João Moutinho und Raul Meireles auf andere Hochkaräter baut und nicht gänzlich vom Schönling aus Funchal abhängt.

02.06.2012

Calcio will tear us apart

Wo soll ich nur anfangen? Bei der triumphalen Meisterschaft von Juventus Turin? Dem neuen Wettskandal, der sich als Büchse der Pandora erweisen könnte? Der anstehenden EM aus italienischer Sicht? Oder der enttäuschenden Saison meines AS Rom? Im Sammeln von Fragezeichen habe ich mir schon mal eine kleine Auszeichnung verdient.

Gehen wir der Einfachheit halber zur abgeschlossenen Profisaison. In den nächsten Tagen gehe ich vor allem auf die squadra azzurra ein, da der Wettskandal auch große Auswirkungen auf das Nationalteam hat.

In meinem letzten Beitrag Ende April, vier Spieltage vor Saisonende, hatte Juventus drei Punkte Vorsprung vor Milan. Den rossoneri ging in den letzten Spielen die Puste aus, bestes Beispiel war das 2-4 im Derby gegen Inter am vorletzten Spieltag,  die alte Dame aus Turin konnte schließlich souverän seine 28. Meisterschaft feiern, ohne Saisonniederlage.

Getrübt wurde sie jedoch durch das überhebliche Selbstverständnis des Rekordmeisters. Die Turiner hegen immer noch Anspruch auf die zwei aberkannten Titel von 2005 und 2006, die aufgrund des kurz vor der WM 2006 enthüllten Manipulationsskandals aberkannt worden waren. So prangt seit Neuestem ein übergroßer scudetto mit einer 30 an der Fassade des Juventus Stadiums. Trotz der bewiesenen Manipulationen gefällt sich der Verein in der selbst konstruierten Opferrolle, obwohl die diesjährige Meisterschaft als Neuanfang verstanden werden sollte. Das Team hat durch den erfolgreichen Mix aus jungen und erfahrenen Spielern und der Wahl des richtigen Trainers die Basis für die Rückkehr unter den europäischen Topteams geschaffen. Antonio Conte, Mittelfeldmotor von Juve in den Neunzigern, hat bei seinem ersten großen Klub auf Anhieb den Titel gewonnen. Sein Vertrag wurde umgehend verlängert, nun bleibt abzuwarten, inwiefern er auch in den aktuellen Skandal verwickelt sein könnte.

Beim AC Mailand klingeln dagegen die Alarmglocken. Der titelverwöhnte Ibrahimovic ging leer aus und murrte sofort nach Saisonende. Zwar wurde er Torschützenkönig, doch gerade sein Egoismus wurde der Mannschaft oft zum Verhängnis. Das überalterte Team steht vor einem großen Umbruch. Gattuso, Nesta, Van Bommel und Inzaghi werden den Verein verlassen, bei Seedorf und auch einigen jungen Topspielern wie Thiago Silva und Pato sieht es auch stark danach aus. Viel zu viele Leistungsträger, die nicht von heute auf morgen ersetzt werden können.

Überraschender Dritter wurde Udinese. Der Verein aus Friaul lebt davon, Jahr für Jahr junge Talente aus der ganzen Welt aufzubauen und für ein Vielfaches weiterzuverkaufen, doch so lange der mittlerweile 34-jährige Di Natale fleißig seine Tore schießt, ist auch ein Platz in den oberen Rängen garantiert, wie in der Vorsaison nehmen die Zebras an der Champions-League-Qualifikation teil.

Lazio konnte nach Kloses längerem Ausfall und dem Bruch mit Trainer Reja nicht mehr an die erste Saisonhälfte anknüpfen. Neapel konnte sich dagegen mit dem Sieg der Coppa Italia gegen Juventus (2-0) und einer positiven Champions-League-Teilnahme trösten.

Chaotisch ging es vor allem bei Inter Mailand zu, mit Ach und Krach wurde der letzte Europa-League-Platz erreicht. Die Verpflichtung von Gasperini als Trainer zu Saisonbeginn war ein großes Missverständnis, der dröge Ranieri konnte der Mannschaft auch kein neues Leben einhauchen. Erst als der Jugendtrainer Stramaccioni, der erst zu Saisonbeginn vom AS Rom losgeeist worden war, das Heft in die Hand nahm, kehrten die nerazzurri auf die Erfolgsspur zurück.

Ganz aus den Europapokalplätzen rutschte dagegen der AS Rom. Nach einem holprigen Saisonstart schien es, als habe Luis Enrique zum Ende der Hinrunde sein Team gefunden. Doch die etlichen Abwehrfehler, der sterile Ballbesitz und die Unbeherrschtheit einiger Akteure zeigten all die Unerfahrenheit des spanischen Trainer auf, für den der Sprung von Barcelonas B-Mannschaft in die Serie A doch zu groß war. Die Euphorie rund um den jungen Coach und seinen Traum vom Offensivfußball war verpufft, nun stehen wieder weitreichende Veränderungen an. Auf dem Weg in eine erfolgreiche Zukunft wurde auf die Vergangenheit zurückgegriffen. Zdenek Zeman, Prophet des attraktiven Fußballs und Spezialist für junge Talente, war bereits von 1997 bis 1999 Trainer in der Kapitale und maßgeblich für Tottis Entwicklung. Nach einer meist erfolglosen Odyssee bei kleineren Vereinen in Italien und im Ausland führte er diese Saison Pescara nach 19 Jahren Abstinenz in die Serie A zurück.

Dieser Sommer steht für den gesamten italienischen Fußball ein großer Umbruch an. Es war die letzte Serie-A-Saison für die Weltmeister Del Piero, Nesta, Gattuso und Inzaghi. Sie werden ihre Karrieren wahrscheinlich in anderen Ligen ausklingen lassen. Seit Jahren setzen die Teams verstärkt auf günstige Spieler aus anderen Ländern, doch Juves Erfolg mit einer fast ausschließlich aus italienischen Spielern bestehenden Mannschaft könnte für ein Umdenken sorgen, einige vielversprechende Talente wie Mattia Destro, Fabio Borini oder Sebastian Giovinco beweisen, dass die Serie A auch gute Eigengewächse hervorbringt. Deutschland wurde schon immer von den Italienern in vielen Bereichen oft bewundert, vielleicht sollte der Fußballboom als Vorbild genommen werden, um etwas Struktur in den calcio zu bringen. Bevor alles auseinander bricht.

23.04.2012

Der ganz normale Wahnsinn schlägt zurück

Mein letztes Posting schloss mit Hoffnung ab. Gestern Nachmittag wurde sie in Genua begraben. Was sich im stadio Luigi Ferraris abspielte, hat wieder gezeigt, wie es um den calcio steht. Es ist der ganz normale Wahnsinn in Italien. Nicht die positive Seite, die ich so sehr liebe, sondern seine grässliche Fratze, die viel zu oft triumphiert.

Der FC Genua empfing Siena in einem wichtigen Spiel gegen den Abstieg. Die Traditionsmannschaft aus Ligurien, die bereits einen doppelten Trainerwechsel hinter sich hat, zeigte sich jedoch wieder von seiner schwächsten Seite, so dass es zur Pause 3-0 für die Gäste stand. Kurz nach der Halbzeitpause fiel das 4-0. Die ohnehin gereizte Stimmung kochte daraufhin über. Einige der heimischen Ultras schossen Feuerwerkskörper und Rauchbomben auf den Fußballplatz und versuchten das Feld zu stürmen. Der Schiedsrichter musste das Spiel unterbrechen. Kapitän Marco Rossi versuchte die Fans zu beschwichtigen, diese forderten jedoch ihre Spieler auf, die Trikots auszuziehen.

Klubchef Enrico Preziosi kam auch auf den Platz, um der Situation Herr zu werden. Jedoch konnte man von ihm nicht viel erwarten. Der durch Spielwaren reich gewordene Mäzen hatte vor vier Jahren den Verein Como Calcio in die Pleite geführt und wurde wegen betrügerischen Konkurses verurteilt. Seit 2004 darf er wegen anderer Probleme mit der Fußballjustiz keine Transferverhandlungen führen. Dennoch gab aber vor 2 Jahren zu, für die Verkäufe von Diego Milito und Thiago Motta an Inter Mailand verantwortlich gewesen zu sein, was ihm eine weitere Anzeige einbrachte. 2005 musste Genua übrigens wegen einer versuchten Spielmanipulation absteigen. Der Verantwortliche damals? Preziosi. Na dann, Prost.

Sculli gegen den Rest der Welt. - www.calciomercato.it
Kommen wir zurück zu den gestrigen Protesten. Die Spieler gaben nämlich dem Druck der Fans nach und zogen sich nach und nach die "entwürdigten" Trikots aus. Der Spieler Mesto brach in Tränen aus. Derweil waren Schiedsrichter und Gästemannschaft in die Kabinen zurückgekehrt. Dass es nicht zu einem Spielabbruch gekommen war, ist Genuastürmer Giuseppe Sculli zu verdanken. Er weigerte sich, das Trikot auszuziehen und stellte sich den Fans. Unter Tränen schaffte er es, die Ultras zur Vernunft zu bringen. Die Partie wurde nach einer 40-minütigen Unterbrechung weitergespielt, das Endergebnis lautete 1-4. Das Sportgericht entschied, dass Genua die nächsten beiden Heimspiele ohne Fans austragen muss. 

Klar, Fußball wurde auch gespielt. Ibrahimovic rettete dem AC Mailand in der 90. Minute einen Punkt im Heimspiel gegen Bologna, den Ausrutscher nutzte Titelrivale Juventus mit einem imposanten 4-0 gegen die Inkarnation des Resultatewahnsinns, meinem AS Rom. Trainer Luis Enrique überraschte in Turin mit Totti auf der Bank, einer neuen Aufstellung und weiteren disutablen Personalentscheidungen. Die Quittung: Nach 7 Minuten hatte Vidal mit einem Doppelpack das Spiel entschieden, in der 30. musste Tormann Stekelenburg wegen einer Notbremse vom Platz. Fünf Spieltage vor Ende hat Juventus mit drei Punkten auf Milan beste Chancen auf die Meisterschaft. Bizarr: Da keine Mannschaft im Rennen um Platz drei kontinuierliche Leistungen zeigt, sind auch Rom und Inter (0-0 in Florenz) noch im Rennen gegen Lazio, Udinese und Neapel.

Zum Abschluss eine weitere unschöne Geschichte des gestrigen Fußballtages gab es mal wieder bei Lazio Rom. Da die Gäste aus Lecce in den unbeliebten Farben des Stadtrivalen AS antraten, sang die gesamte Curva Nord giallorosso ebreo, "gelbroter Jude". Auf manche Dinge ist eben immer noch Verlass.

18.04.2012

Herz und Fußball blieben still

Es war die 30. Spielminute im Zweitligaspiel zwischen Pescara und Livorno am vergangenen Samstag. Der Spielstand von 0-2 kann uns egal sein. Das Herz von Piermario Morosini blieb einfach stehen. Und danach ruhte auch der Fußball. Nicht nur in Pescara, sondern in ganz Italien.

Der tragische Tod des gerade mal 25-jährigen Spielers von Livorno traf mitten ins Herz.  Es schien, als sei das Leben des ehemaligen U21-Nationalspielers genug gezeichnet. Piermario, jüngstes von drei Geschwistern, verlor bereits mit 15 seine Mutter. Zwei Jahre später folgte ihr der Vater. Dennoch kämpfte il Moro weiter. Favini, lange Jahre Jugendverantwortlicher bei Atalanta Bergamo, wo Piermario auf die Welt kam, erinnerte sich an ihn als einen Jungen, der immer eine unglaubliche Sanftheit in seinem Gesicht trug, unter einem kaum sichtbaren Schleier der Traurigkeit.

Sein Leben schien nicht jedoch noch lange nicht genug gezeichnet. 2004 nahm sich sein jüngerer Bruder, der an einer Behinderung litt, das Leben. "Jetzt erst recht" muss sich Piermario damals gesagt haben. Er wollte mit dem Fußball erfolgreich sein, weil es seine Eltern glücklich gemacht hätte. Er musste Erfolg haben, um seiner ebenfalls behinderten Schwester so gut wie möglich helfen zu können.

Vielleicht hielt sein Herz die vielen Schicksalsschläge allmählich nicht mehr aus. Vielleicht war es ein erst bei der Autopsie entdeckter Gendefekt. Vielleicht brauchten die Rettungskräfte zu lange, weshalb die Staatsanwaltschaft ermittelt. Jedes weitere "Vielleicht" bringt Piermario dennoch nicht zurück.

Es war überraschend schön, dass der italienische Fußballverband alle für das Wochenende angesetzten Spiele ausfallen ließ. Weniger überraschend war es, dass die Funktionäre sich zwei Tage später wieder darum stritten, wie und wann die Spiele nachgeholt werden würden. Vielleicht kann das gezeichnete Leben von Piermario dennoch irgendwie ein Zeichen setzen. Vielleicht.

04.03.2012

Der letzte Gong


4. März 2012. Tag des Hauptstadtderbys in Rom. Ich stand die ganze Woche unter Strom. Zwei angeschlagene Boxer standen sich entgegen. Ich hoffte auf einen großartigen Kampf und bekam selbst auf die Fresse.

Heutige Choreo in der Curva Nord - www.asromaultras.org
In der rechten (!) Ecke stand Lazio Rom, die um den dritten Platz kämpfen. Dennoch ging es in den letzten Wochen heiß her bei den biancocelesti. Trainer Edy Reja hatte 10 Tage vor dem Derby seinen Rücktritt angeboten, weil nicht die geforderten Verstärkungen im Januar verpflichtet wurden. Präsident Lotito hatte bereits Ex-Nationalspieler und Chelsea-Idol Gianfranco Zola zu Vertragsverhandlungen eingeladen, doch Rejas Rücktritt vom Rücktritt, wohl gestärkt durch die Mannschaft, hat die Trennung wohl auf Saisonende verschoben.

Gelbrotes Fahnenmeer der Curva Sud - www.asromaultras.org
In der linke Ecke der AS Rom. Dort ging es zuletzt nicht weniger turbulent zu. Noch vor dem letzten Ligaspiel bei Atalanta Bergamo wurde der dritte Platz als Saisonziel ausgerufen, es folgte prompt eine 1-4 Niederlage, die mit den Platzverweisen für Osvaldo (Revanchefoul) und Cassetti (Protestieren) garniert wurde. Für das I-Tüpfelchen sorgte noch vor Anpfiff Roms Trainer Luis Enrique, der De Rossi auf die Tribüne versetzte. Der Vizekapitän war 15 Minuten zu spät zur Mannschaftsansprache vor dem Spiel erschienen. Im heutigen Derby sollte alles besser gemacht werden. Nicht nur die Hinspielniederlage musste gerächt, es sollte das letzte Fünkchen Hoffnung auf die Champions-League-Qualifikation gewahrt werden.

Nach sieben Minuten schien die Partie so gut wie gelaufen. Klose enteilte der wie so oft schlecht postierten Abwehr der giallorossi und wurde von Stekelenburg zu Fall gebracht. Rote Karte für den niederländischen Torwart, Elfmeter für Lazio, den Hernanes, wie bereits in der Hinrunde, sicher verwandelte. Dennoch gab sich der AS Rom nicht auf und kam in der 16. Minute durch den frischgebackenen Nationalspieler Fabio Borini (7 Tore in der Rückrunde) zum Ausgleich. Lazio machte fortan die Partie und nutzte in der 61. Minute einen erneuten Abstimmungsfehler in den Abwehrreihen der Gegner. Ein langer Freistoß landete beim freistehenden Kapitän Mauri, der den Ball ins Netz grätschen konnte. Kurz vor Spielende flog zwar noch Lazios Scaloni mit Gelb-Rot vom Platz, es blieb jedoch beim 2-1 für Lazio, wie bereits im Oktober.

Apropos rechte Ecke: Es war keine Überraschung, dass aus der Laziokurve rassistische Rufe zu hören waren. Die Geste des Spiels kam vom Brasilianer Juan, der mit erhobenem Zeigefinger vor dem Mund sich gegen sie richtete. Lazios Kapitän musste daraufhin diese Nichtfans beschwichtigen, weil der Schiedsrichter mit möglichem Spielabbruch drohte.

Totti am Boden. Wie der ganze AS Rom.
Für mich ist hoffentlich mein persönlicher Nervenkrieg damit zu Ende. Zum Jahreswechsel schien es so, als hätte Luis Enrique die Quadratur des Kreises gefunden, jedoch wirkt das Spiel des AS Rom wie real existierender Sozialismus. In der Theorie alles schön und gut, aber die Umsetzung lässt stark zu wünschen übrig. Es ist aber sehr nett von meinem Lieblingsteam, das Auf und Ab in meinem Leben, das Launenhafte, auch noch auf den Fußballplatz zu bringen.

Zum Thema Titelkampf: Am Samstag beeindruckte Milan mit einem klaren 4-0 bei Palermo, Juve kam im heimischen Stadion nur zu einem 1-1 gegen Chievo. Die Turiner sind zwar die einzige ungeschlagene Mannschaft unter den europäischen Topligen, haben mit 12 Remis auch sehr viele Punkte liegen lassen. Die Meisterschaft bleibt dennoch offen, da Juve mit einem Sieg in der Nachholpartie am Mittwoch gegen Bologna  punktgleich mit dem amtierendem Meister die Tabellen anführen würde.

06.02.2012

Von Fußbällen und Schneebällen

Schneeballschlacht am Kolosseum. cinema.newsfan.it
Die starken Schneefälle, die in den letzten Tagen auf Italien niedergingen, sorgten für großes Chaos nicht nur auf den Straßen, sondern auch für den italienischen Fußball. Vier Erstligapartien mussten unter der Woche abgesagt werden, andernorts wurde unter widrigen Bedingungen wie bei Inter Mailand gegen Palermo gespielt, was dennoch in einem spektakulären 4-4 endete. Dass dabei kein orangefarbener aufgetrieben werden konnte, unterstreicht das Unvermögen der Verantwortlichen, von Klubs bis hin zu den höchsten Stellen.

Als Rom am Wochenende von den Schneekapriolen lahm gelegt wurde, behauptete der Bürgermeister der Hauptstadt kühn, die Wetterzentrale habe ihn falsch informiert. Das Topspiel zwischen der zurzeit launischen Roma und der formschwachen Inter wurde erst von Samstagabend auf den Mittag vorverlegt, um dann doch am Sonntagnachmittag angepfiffen zu werden. Dank des Einsatzes vieler Räumungskräfte.

Dafür wurden die Fans der giallorossi mit einer brillanten Vorstellung belohnt. Nach dem 2-4 bei Cagliari am Mittwoch war Wiedergutmachung angesagt. Wie gut, dass mit ein vollkommen orientierungsloser Gegner zu Gast war. Zudem war der Mittelfeldmotor De Rossi wieder einsatzbereit und brachte wieder Stabilität in das zuletzt schwache Defensivspiel. Vorne konnten Totti und die pfeilschnellen Lamela und Borini für Wirbel sorgen. Das 4-0 bei 67% Ballbesitz spricht Bände und nun kann sich der AS Rom leichte Hoffnungen machen, wieder um Platz drei, der in die Champions-League-Qualifikation führt, mitzumischen. Für noch mehr Ruhe sorgte auch die Neuigkeit, dass De Rossi, als capitan futuro Tottis designierter Nachfolger, seinen auslaufenden Vertrag nach langem Tauziehen um fünf Jahre verlängert hat. Manchmal gewinnt eben die Liebe, höhere Angebote hatte er genug.

Dass man mit 35 Jahren immer noch eine halbe Mannschaft in den Wahnsinn treiben kann, zeigte Totti mit seiner Aktion, die zum Eckball führte, das Juans Führungstor ermöglichte. An der Strafraumkante nahm er einen Ball aus der Luft mit der Hacke an, wurde von vier Interspielern umzingelt, spielte die Kugel jedoch wieder mit der Hacke auf den freistehenden Lamela, der ungestört in den Strafraum dringen konnte. Durch solche Momente wurde Totti zu einem Idol seiner Stadt. Ein Fußballpoet, der leider durch manche unfaire Aktion in der Vergangenheit gezeigt hat, wie nah Genie und Wahnsinn liegen.


Udinese und Lazio verloren ihre Spiele bei Florenz und Genua, während Neapel beim AC Mailand 0-0 spielte. Im Nord-Süd-Duell gingen dem Schweden Ibrahimovic die Nerven durch, so ließ er sich zu einer Ohrfeige provozieren und darf nun mit zwei bis drei Spielen Sperre rechnen. Auch wenn Juventus nicht über ein 0-0 gegen Siena hinaus kam, ist der Rekordmeister, der noch ein Spiel nachholen muss, leicht favorisiert im Titelrennen. Insgesamt wirken die bianconeri solider, während der AC Mailand, der ein Punkt zurückliegt, zu sehr von seinem schwedischen Topstürmer abhängt. Dennoch wäre es zu früh, nach 22 Spieltagen (mit einigen Nachholpartien) von klaren Verhältnissen zu sprechen.

Zum Abschluss ein weiterer Eindruck vom verschneiten Rom, den mir meine liebe Cousine zugeschickt hat. Pazzesco. Verrückt.















11.01.2012

Entschuldigt die Verspätung

Tottis Shirt: "Entschuldigt die Verspätung."
Nein, es geht nicht um die Deutsche Bahn, den Bundespräsidenten oder den langsam erwachenden Bartwuchs Eures 30-jährigen Blogautors. Pizza e Pallone hatte einen etwas längeren Winterschlaf, was auf jede Menge Stress zurückzuführen ist. Dafür geht es mit neuem Schwung in diesem Jahr weiter. Wie gut, dass ein noch etwas älterer Römer ebenso etwas nachzuholen hatte. Die Galionsfigur des AS Rom, Francesco Totti, hat am Wochenende endlich wieder in der Serie A getroffen, nach mittlerweile sieben Monaten.

Mit seinen beiden Elfmetertreffern gegen Chievo führte Totti seine Roma zum mittlerweile dritten Sieg in Folge. Aus der Baustelle von Trainer Luis Enrique ist mittlerweile ein erfolgreiches Team entstanden, das sterilen Ballbesitz endlich in Torgefahr ummünzen kann.

Die italienische Liga hat mit den Hauptstädtern und dem wieder erstarkten Inter Mailand zwei Protagonisten mehr, auch wenn Juventus, der AC Mailand und das Überraschungsteam aus Udine die Verfolger weiterhin auf Abstand halten. Dennoch verspricht die zweite Saisonhälfte viel Spannung im Kampf um die Meisterschaft. Bis Ende Januar ist der Transfermarkt zudem offen und sicherlich wird noch der ein oder andere Kracher den Verein wechseln. Die bisherigen Coups: Weltmeister Gilardino, der schon lange seiner Form hinterherhinkt, wechselte von Florenz nach Genua. Roms Edelreservist Borriello wurde an Juventus ausgeliehen, zudem erhofft sich Neapel vom Chilenen Vargas neue Offensivimpulse.

Für negative Schlagzeilen sorgte in den letzten Wochen der neue Wettskandal, in dem einige namhafte Spieler verwickelt sind. Allen voran Cristiano Doni. Der ehemalige Kapitän von Atalanta wurde vor Weihnachten in Gewahrsam genommen und gab zu, auf Fußballspiele gewettet zu haben. Dies ist in Italien jedoch allen Profis und Funktionären seit dem großen Skandal Anfang der Achtziger verboten. Hinter dem Wettskandal soll eine Bande aus osteuropäischen Wettbetrügern stehen.

Da die Mühlen der italienischen Justiz üblicherweise äußerst langsam sind, kann es noch lange dauern, bis etwas Handfestes vorliegt und alle Beteiligten ausfindig gemacht werden. Nach dem Schiedsrichterskandal, der vor der WM 2006 aufgedeckt wurde, kann sich der arg gebeutelte italienische Fußball keinen weiteren Imageschaden erlauben. Hoffen wir das Beste.