26.08.2010

Ohne Schwarz. Aber Rot und Gold

Es hat sich Einiges getan seit dem letzten Post. Prandelli hat als Trainer der italienischen Nationalmannschaft debütiert, die neuen Hoffnungsträger wie Cassano und Balotelli konnten jedoch das 0-1 gegen die Elfenbeinküste in London nicht verhindern. Das Testspiel war aber auch nur eines von vielen bedeutungslosen Testspielen und da die Weltmeistertrainer von 1982 und von 2006, respektive Enzo Bearzot und Marcello Lippi, auch mit einer Niederlage auf der Trainerbank der azzurri gestartet waren, passt alles zur italienischen Seele mit ihrem ausgeprägten Aberglauben.

Um einiges interessanter war das Duell zwischen Werder Bremen und Sampdoria Genua, bei dem es um die Teilnahme an der Champions League ging. Nach dem 3-1 im Hinspiel war die Ausgangsposition für die Grün-Weißen recht günstig, wären da nicht eine große Verletztenmisere und Giampaolo Pazzini gewesen. Es bleibt fraglich, warum der Stürmer zu kümmerlichen 29 Minuten bei der WM gekommen war.

Nach 13 Minuten hatte die Samp bereits das Spiel gedreht und konnte in der zweiten Hälfte gar auf 3-0 erhöhen dank ihres Stars, Antonio Cassano. Der (ehemaligen?) Skandalnudel gelang es jedoch, wie vielen seiner Teamkollegen, mit schauspielerischen Einlagen, um Zeit zu schinden, und dem völligen Einstellen jeglicher Form des Fußballspielens, Werder noch mal ins Spiel zu bringen. Werder hatte mit Rosenberg einfach das verdiente Quäntchen Glück eingewechselt, um in die Gruppenphase zu gelangen.

Dort wartet auf die Bremer wieder ein italienisches Team, und es ist niemand geringeres als der Titelverteidiger Inter Mailand. Die nerazzurri haben sich kaum verändert im Vergleich zum Vorjahr, wichtigste Personalie war der Abschied von José Mourinho gen Madrid, dafür wurde Rafael Benitez aus Liverpool als neuer Trainer verpflichtet. Eine harte Nuss für die Bremer, die nach dem desaströsen Saisonauftakt bei Hoffenheim und dem knappen Weiterkommen gegen Sampdoria noch zulegen müssen.

Wie stark Inter auch in diesem Jahr ist, durfte ich mit blutendem Herzen am letzten Samstag verfolgen. Beim Supercup war mein AS Rom bei den Mailändern zu Gast. Das große Duell in Italien der letzten fünf Jahre, wobei Rom die Vizemeisterschaft abonniert hat und sich gerade mal über zwei Pokalsiege freuen durfte. In einer starken ersten Halbzeit, in der wieder einmal Francesco Totti als Ideengeber glänzte und das 1-0 durch Riise vorbereitete, schnitt sich das Team ins eigene Fleisch, als Vucinic mit einem katastrophalen Querpass das 1-1 einleitete. Inter blieb auch in der zweiten Halbzeit eiskalt und gewann schließlich mit 3-1. Eine präzise Maschine, nicht schön, aber erfolgreich, was auch Barcelona und die Bayern letzte Saison spüren durften.

Gerade der deutsche Meister aus München wird nun auf Rom in der Champions League treffen, was ich mit gemischten Gefühlen sehe. Die giallorossi bleiben eine Mannschaft mit großem Potential, doch sind sie immer wieder für Konzentrationsschwächen bekannt, als würde das Team einfach nie die internationale Reife erreichen wollen. Dieses Jahr kam erschwerend hinzu, dass der Verein nun zum Verkauf steht, die Ära Sensi geht nach 17 Jahren zu Ende.  Darunter leidet auch die Transferpolitik des Vereins, mit der ich alles andere als zufrieden bin.



Erst in diesen Tagen, kurz vor Schließung des Transfermarktes, gelingt es den Managern allmählich, den Kader auszudünnen. Dabei wird jedoch auch deutlich, dass keine klare Linie besteht. Als der Verein seinen "annus horribilis" 2004-2005 erlebte, mit fünf verschiedenen Trainern, unter anderem Rudi Völler,wurde irgendwann auf die eigene Jugend gebaut. Davon ist nichts mehr zu sehen. Das große Talent Aquilani, das nun nach einem erfolglosen Jahr in Liverpool zu Juventus Turin geht, und den ich immer noch bewundere, weil unsere beiden Väter auf die gleiche Schule gingen, ist längst nicht mehr da. Torwart Curci wurde seit Jahren ausgeliehen und hütet nun bei Sampdoria das Tor, wo auch der letztes Jahr verpflichtete Flügelspieler Guberti gelandet ist. Der quirlige Alessio Cerci, selbst Römer, wurde heute heute an Florenz verkauf.

Francesco Totti und Daniele De Rossi werden weiterhin als die Beispiele der hervorragenden Jugendarbeit präsentiert, dafür werden mögliche Nachfolger verschachtert und auf der Gegenseite wird Adriano aus Brasilien zurückgeholt, der die letzten Jahre wegen seiner Skandale für Aufsehen sorgte und nun mit seinem Übergewicht für Fragezeichen sorgt. Da kommt der einmonatige Ausfall des Brasilianers wegen einer Muskelverletzung gerade recht. Auch die Posse um den argentinischen Verteidiger Nicolas Burdisso beweist die Kopflosigkeit des Vereinsmanagements. Obwohl Roms Trainer Ranieri den Südamerikaner weiter behalten wollte, reagierte der Verein erst, als Juventus Turin sich mit einem konkreten Angebot bei Inter Mailand, Besitzer der Transferrechte, meldete.

Dennoch sehe ich nicht schwarz. Nur Rot und Gold, die Farben Roms. Wie soll ich auch anders, ist es doch die einzige Liebe, bei der ich mich fast mein ganzes Leben zu hundert Prozent sicher sein kann, dass sich der Leid lohnt. Wenige verstehen, wie sehr solch eine symbiotische Beziehung Auswirkungen auf das Leben eines Menschen hat. Doch darum geht es nicht. Es geht um Liebe. Und da denkt man trotz aller Widrigkeiten nicht mit dem Verstand.

07.08.2010

Baggio to the Future

Vor vier Wochen ging die WM zu Ende, eine Zeit ganz ohne Fußball war der letzte Monat dennoch nicht. Die Nachwehen der WM sorgten bei den Nationalmannschaften für mehrere Schlagzeilen. So gestaltete sich in Brasilien die Suche nach einem neuen Trainer zur Posse. Erst wurde Muricy Ramalho als Dungas Nachfolger angekündigt, doch Fluminense erteilte seinem Coach keine Freigabe, so wurde die zweite Wahl Mano Menezes von Corinthians tags darauf zum Trainer der Seleçao. In Argentinien lief es nicht besser, die Verhandlungen mit Maradona platzten schließlich. Zwar standen die Nationalspieler und die Fans hinter ihm, doch dem Verband wurde es irgendwann zu bunt. Im Gegenteil dazu kann sich der DFB über die vergleichsweise unkomplizierte Verlängerung mit Löw freuen.

In der kommenden Woche stehen bereits jede Menge Testspiele an, scharf kritisiert von den Vereinen, weil sie mitten in die Vorbereitung fallen, doch der FIFA-Terminplan bleibt unbarmherzig. Das Debüt von Cesare Prandelli auf der italienischen Trainerbank wird mit Spannung erwartet. Am Mittwoch geht es in London gegen die Elfenbeinküste, zu erwarten waren die Nominierungen talentierter Offensivkünstler wie Cassano und Balotelli, ältere Spieler wie Zambrotta, Gattuso oder Di Natale wurden für den Neuanfang nicht berücksichtigt. Auch der kurz vor der WM eingebürgerte Brasilianer Amauri, der von einer glücklosen Saison mit Juventus kommt, darf sich nun das Trikot der squadra azzurra überstreifen, neben einigen weiteren Hoffnungsträgern. Ob das neuformierte Team, das auf De Rossi und Chiellini als Führungskräfte bauen wird, wieder in Tritt kommt, bleibt abzuwarten.


Um den italienischen Fußball wieder in die Erfolgsspur zu bringen, wurden drei lebende Legenden des calcio in die Führungsriege des Verbands berufen. Ex-Weltfußballer Roberto Baggio wird Präsident des technischen Sektors, der frühere Nationaltrainer Arrigo Sacchi koordiniert die italienischen Jugendnationalmannschaften, Gianni Rivera, Spielmacher der Nationalmannschaft und des AC Milan in den 60ern und 70ern, leitet die Jugendabteilung.

Sie stehen für geballte Kompetenz, jedoch stoßen sie auf eine schwierige Situation. Die meisten Klubs setzen weiterhin auf Spieler aus dem Ausland, wobei oft die leeren Geldbeutel die Transferpolitik prägen. Dagegen sollen sich die Eigengewächse in kleinere Teams erst mal ihre Sporen verdienen, dabei wird ihnen die Chance genommen, von den Stars zu lernen und sich auf internationaler Ebene zu messen. Diesen Trend gilt es umzukehren. Dass dies möglich ist, hat der deutsche Fußball gezeigt.