22.09.2010

Damaged gods

Vom Fußballolymp, einer um Haaresbreite verpassten Meisterschaft, ist es in Rom kein langer weg zum katastrophalen Saisonstart in der Folgesaison. Alle Jahre wieder, so sicher, wie ein Papst auf den anderen folgt ("morto un papa se ne fa un altro"), so sicher auch gelingt es dem AS Rom den hohen Erwartungen einen herben Dämpfer zu versetzen.
Nach dem verlorenen Supercupfinale hat es der Hauptstadtklub in vier Ligaspielen zwei jämmerliche Punkte eingefahren, dabei wurden gerade mal vier Tore erzielt, jedoch neun bereits kassiert. Aus der soliden Abwehr ist ein improvisiertes Nudelsieb geworden. Der mit Stars gespickte Sturm sprüht nicht vor Spielwitz sondern schmeckt nach kalte Spaghetti ohne Tomatensoße.

Ein Teil der Probleme lässt sich auf die vielen Verletzten zurückführen, dazu kommt, dass sich Leistungsträger wie der Argentinier Burdisso oder der Franzose Mexes nicht von alten Gewohnheiten trennen können und gerne mal mit karateähnlichen Abwehrversuchen oder Ausrastern die rote Karte "verdienen". Von der Formschwäche des neuralgischen Zentrums um De Rossi und Pizarro ganz zu schweigen.

Trainer Ranieri versucht derweil mit wenig hilfreichen Durchhalteparolen die Mannschaft zu motivieren, sorgt aber mit taktischen Fehlgriffen und ständigen Experimenten bei der Aufstellung dafür, dass das Team weiter verunsichert ist. Als Romfan ist man solch ein Auf und Ab seit Jahren gewohnt. Die eine Hälfte der Fans, die vor Saisonbeginn von der Meisterschaft träumt, sieht über die Fehler ständig hinweg, obwohl die Unklarheit über die Zukunft des Vereins sowie die defizitäre Transferpolitik nicht gerade für Freudensprünge hätte sorgen dürfen.

Der bisher enttäuschende Notnagel für die Abwehr, Guillermo Burdisso, wurde wohl nur gekauft, weil er der jüngere Bruder des Nationalspielers Nicolas ist. Na da kommt Freude auf! Die brasilianische Wundertüte Adriano kam bisher zu zwei Kurzeinsätzen und lebt weiter nach FDH Hoch zwei. Friss die Häfte und Fußball die Hälfte. Bei sicher noch ca. zehn Kilo Übergewicht und der Beweglichkeit des Zuckerhuts kein Wunder.

Wer das Pech hatte, das Catenaccio-Revival der Römer beim FC Bayern in der Champions League zu sehen, durfte erleben, wie hilflos Claudio Ranieri derzeit agiert. "Die Null muss stehen" gehört nicht ohne Grund zu den wichtigsten Ideen des Fußballs, dass dies jedoch nur für das eigene Tor gilt, hat der Trainer, der allmählich seinen Kredit vom Vorjahr verspielt, wohl vergessen. Nicht umsonst kritisierte Kapitän Totti die Spielweise direkt nach dem Spiel: "Wir standen mit zehn Mann immer hinter dem Ball."

Dass die Roma nach dem 0-2 bei Aufsteiger Brescia in der Tabelle hinter 17 von 20 Erstligisten steht, gleicht einem Armutszeugnis. Manager Montali sprach direkt nach dem Spiel davon, dass Team sei durch die schlechte Schiedsrichterleistung geschädigt worden. Dies mag zu einem minimalen Teil zutreffen. Würde das Team jedoch etwas mehr Energie in das Fußball Spielen statt in hysterisches Gejammere investieren, wären wohl der Großteil der Probleme gelöst.

Wenn jemand einen Grund zum Jammern hatte, war dies Torwart Julio Sergio, der die letzten fünf Minuten gegen Brescia mit verstauchtem Fuß und einer dicken Bandage um den Schuh auf dem Platz bleiben musste, weil Ranieri bereits eine halbe Stunde vor Schlusspfiff sein Wechselkontingent ausgeschöpft hatte. Da war mir bereits das Weinen vergangen.

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26.08.2010

Ohne Schwarz. Aber Rot und Gold

Es hat sich Einiges getan seit dem letzten Post. Prandelli hat als Trainer der italienischen Nationalmannschaft debütiert, die neuen Hoffnungsträger wie Cassano und Balotelli konnten jedoch das 0-1 gegen die Elfenbeinküste in London nicht verhindern. Das Testspiel war aber auch nur eines von vielen bedeutungslosen Testspielen und da die Weltmeistertrainer von 1982 und von 2006, respektive Enzo Bearzot und Marcello Lippi, auch mit einer Niederlage auf der Trainerbank der azzurri gestartet waren, passt alles zur italienischen Seele mit ihrem ausgeprägten Aberglauben.

Um einiges interessanter war das Duell zwischen Werder Bremen und Sampdoria Genua, bei dem es um die Teilnahme an der Champions League ging. Nach dem 3-1 im Hinspiel war die Ausgangsposition für die Grün-Weißen recht günstig, wären da nicht eine große Verletztenmisere und Giampaolo Pazzini gewesen. Es bleibt fraglich, warum der Stürmer zu kümmerlichen 29 Minuten bei der WM gekommen war.

Nach 13 Minuten hatte die Samp bereits das Spiel gedreht und konnte in der zweiten Hälfte gar auf 3-0 erhöhen dank ihres Stars, Antonio Cassano. Der (ehemaligen?) Skandalnudel gelang es jedoch, wie vielen seiner Teamkollegen, mit schauspielerischen Einlagen, um Zeit zu schinden, und dem völligen Einstellen jeglicher Form des Fußballspielens, Werder noch mal ins Spiel zu bringen. Werder hatte mit Rosenberg einfach das verdiente Quäntchen Glück eingewechselt, um in die Gruppenphase zu gelangen.

Dort wartet auf die Bremer wieder ein italienisches Team, und es ist niemand geringeres als der Titelverteidiger Inter Mailand. Die nerazzurri haben sich kaum verändert im Vergleich zum Vorjahr, wichtigste Personalie war der Abschied von José Mourinho gen Madrid, dafür wurde Rafael Benitez aus Liverpool als neuer Trainer verpflichtet. Eine harte Nuss für die Bremer, die nach dem desaströsen Saisonauftakt bei Hoffenheim und dem knappen Weiterkommen gegen Sampdoria noch zulegen müssen.

Wie stark Inter auch in diesem Jahr ist, durfte ich mit blutendem Herzen am letzten Samstag verfolgen. Beim Supercup war mein AS Rom bei den Mailändern zu Gast. Das große Duell in Italien der letzten fünf Jahre, wobei Rom die Vizemeisterschaft abonniert hat und sich gerade mal über zwei Pokalsiege freuen durfte. In einer starken ersten Halbzeit, in der wieder einmal Francesco Totti als Ideengeber glänzte und das 1-0 durch Riise vorbereitete, schnitt sich das Team ins eigene Fleisch, als Vucinic mit einem katastrophalen Querpass das 1-1 einleitete. Inter blieb auch in der zweiten Halbzeit eiskalt und gewann schließlich mit 3-1. Eine präzise Maschine, nicht schön, aber erfolgreich, was auch Barcelona und die Bayern letzte Saison spüren durften.

Gerade der deutsche Meister aus München wird nun auf Rom in der Champions League treffen, was ich mit gemischten Gefühlen sehe. Die giallorossi bleiben eine Mannschaft mit großem Potential, doch sind sie immer wieder für Konzentrationsschwächen bekannt, als würde das Team einfach nie die internationale Reife erreichen wollen. Dieses Jahr kam erschwerend hinzu, dass der Verein nun zum Verkauf steht, die Ära Sensi geht nach 17 Jahren zu Ende.  Darunter leidet auch die Transferpolitik des Vereins, mit der ich alles andere als zufrieden bin.



Erst in diesen Tagen, kurz vor Schließung des Transfermarktes, gelingt es den Managern allmählich, den Kader auszudünnen. Dabei wird jedoch auch deutlich, dass keine klare Linie besteht. Als der Verein seinen "annus horribilis" 2004-2005 erlebte, mit fünf verschiedenen Trainern, unter anderem Rudi Völler,wurde irgendwann auf die eigene Jugend gebaut. Davon ist nichts mehr zu sehen. Das große Talent Aquilani, das nun nach einem erfolglosen Jahr in Liverpool zu Juventus Turin geht, und den ich immer noch bewundere, weil unsere beiden Väter auf die gleiche Schule gingen, ist längst nicht mehr da. Torwart Curci wurde seit Jahren ausgeliehen und hütet nun bei Sampdoria das Tor, wo auch der letztes Jahr verpflichtete Flügelspieler Guberti gelandet ist. Der quirlige Alessio Cerci, selbst Römer, wurde heute heute an Florenz verkauf.

Francesco Totti und Daniele De Rossi werden weiterhin als die Beispiele der hervorragenden Jugendarbeit präsentiert, dafür werden mögliche Nachfolger verschachtert und auf der Gegenseite wird Adriano aus Brasilien zurückgeholt, der die letzten Jahre wegen seiner Skandale für Aufsehen sorgte und nun mit seinem Übergewicht für Fragezeichen sorgt. Da kommt der einmonatige Ausfall des Brasilianers wegen einer Muskelverletzung gerade recht. Auch die Posse um den argentinischen Verteidiger Nicolas Burdisso beweist die Kopflosigkeit des Vereinsmanagements. Obwohl Roms Trainer Ranieri den Südamerikaner weiter behalten wollte, reagierte der Verein erst, als Juventus Turin sich mit einem konkreten Angebot bei Inter Mailand, Besitzer der Transferrechte, meldete.

Dennoch sehe ich nicht schwarz. Nur Rot und Gold, die Farben Roms. Wie soll ich auch anders, ist es doch die einzige Liebe, bei der ich mich fast mein ganzes Leben zu hundert Prozent sicher sein kann, dass sich der Leid lohnt. Wenige verstehen, wie sehr solch eine symbiotische Beziehung Auswirkungen auf das Leben eines Menschen hat. Doch darum geht es nicht. Es geht um Liebe. Und da denkt man trotz aller Widrigkeiten nicht mit dem Verstand.

07.08.2010

Baggio to the Future

Vor vier Wochen ging die WM zu Ende, eine Zeit ganz ohne Fußball war der letzte Monat dennoch nicht. Die Nachwehen der WM sorgten bei den Nationalmannschaften für mehrere Schlagzeilen. So gestaltete sich in Brasilien die Suche nach einem neuen Trainer zur Posse. Erst wurde Muricy Ramalho als Dungas Nachfolger angekündigt, doch Fluminense erteilte seinem Coach keine Freigabe, so wurde die zweite Wahl Mano Menezes von Corinthians tags darauf zum Trainer der Seleçao. In Argentinien lief es nicht besser, die Verhandlungen mit Maradona platzten schließlich. Zwar standen die Nationalspieler und die Fans hinter ihm, doch dem Verband wurde es irgendwann zu bunt. Im Gegenteil dazu kann sich der DFB über die vergleichsweise unkomplizierte Verlängerung mit Löw freuen.

In der kommenden Woche stehen bereits jede Menge Testspiele an, scharf kritisiert von den Vereinen, weil sie mitten in die Vorbereitung fallen, doch der FIFA-Terminplan bleibt unbarmherzig. Das Debüt von Cesare Prandelli auf der italienischen Trainerbank wird mit Spannung erwartet. Am Mittwoch geht es in London gegen die Elfenbeinküste, zu erwarten waren die Nominierungen talentierter Offensivkünstler wie Cassano und Balotelli, ältere Spieler wie Zambrotta, Gattuso oder Di Natale wurden für den Neuanfang nicht berücksichtigt. Auch der kurz vor der WM eingebürgerte Brasilianer Amauri, der von einer glücklosen Saison mit Juventus kommt, darf sich nun das Trikot der squadra azzurra überstreifen, neben einigen weiteren Hoffnungsträgern. Ob das neuformierte Team, das auf De Rossi und Chiellini als Führungskräfte bauen wird, wieder in Tritt kommt, bleibt abzuwarten.


Um den italienischen Fußball wieder in die Erfolgsspur zu bringen, wurden drei lebende Legenden des calcio in die Führungsriege des Verbands berufen. Ex-Weltfußballer Roberto Baggio wird Präsident des technischen Sektors, der frühere Nationaltrainer Arrigo Sacchi koordiniert die italienischen Jugendnationalmannschaften, Gianni Rivera, Spielmacher der Nationalmannschaft und des AC Milan in den 60ern und 70ern, leitet die Jugendabteilung.

Sie stehen für geballte Kompetenz, jedoch stoßen sie auf eine schwierige Situation. Die meisten Klubs setzen weiterhin auf Spieler aus dem Ausland, wobei oft die leeren Geldbeutel die Transferpolitik prägen. Dagegen sollen sich die Eigengewächse in kleinere Teams erst mal ihre Sporen verdienen, dabei wird ihnen die Chance genommen, von den Stars zu lernen und sich auf internationaler Ebene zu messen. Diesen Trend gilt es umzukehren. Dass dies möglich ist, hat der deutsche Fußball gezeigt.

13.07.2010

¡Basta! Spanische Noten mit römischer Note

Die Weltmeisterschaft ist nun seit zwei Tagen vorbei. Eine Handvoll Leute freut es, dass der Wahnsinn vorüber ist, viele kehren zu ihrem Tagesgeschäft zurück, mit all seinen kleinen Freuden und Sorgen. Dann gibt es auch diejenigen, die in ein kurzes Loch gefallen sind. Wie sonst die Zeit sinnvoll verbringen? Die hart gesottenen Fußballfanatiker sollten die geringsten Probleme haben, können sie sich doch komplett mit ihren Lieblingsvereinen beschäftigen. In der Vorbereitung wird bereits geschwitzt, die Gerüchteküche brodelt... Egal ob in Madrid, Mailand oder München.

Für mich ist es erst einmal Zeit, einen kleinen Fazit zu ziehen. Dass die WM in Südafrika etwas bunter war, die Stadien jedoch nicht immer voll, dass die Schiedsrichter gerne daneben lagen und die deutsche Mannschaft als unterhaltsamste Überraschung das Turnier abgeschlossen hat, wurde zu genüge berichtet. Gerade der souveräne Sieg gegen Löws Team hat den WM-Titel der Spanier meiner Meinung nach gerechtfertigt.

Das Finale war, wie ich befürchtet hatte, von viel Nervosität geprägt und vom Spielerischen her gar schlimmer, als ich dachte. Die zum Teil überharten Niederländer setzten auf Konter, scheiterten aber kläglich, die etwas konzeptlosen Spanier zeigten erst im späteren Spielverlauf, dass sie eher den Sieg erzwingen wollten. Iniestas Tor war für mich auch etwas befreiendes, da es zum Teil eine wirkliche Qual geworden war, zuzuschauen. Ergreifend, dass Barças Spielmacher sein Tor dem verstorbenen Jarque mit einem Spruch auf seinem Unterhemd widmete.

Nicht weniger ergreifend war der Moment, als Iker Casillas seine Freundin Sara Carbonero, Journalistin für das spanische Fernsehen, während des Interviews nach dem Spiel küsste. Und dabei behaupteten böse Zungen zu Turnierbeginn, sie würde den Torhüter und Kapitän der furia roja zu sehr ablenken.

Vor einigen Jahren habe ich bereits in einem italienischen Forum und meinem alten Blog über den AS Rom Noten verteilt, natürlich mit einer römischen Note, was aber auch bei der spanischen Weltmeistermannschaft klappen sollte...

Iker Casillas - Cor core in mano / Mit dem Herz in der Hand - Sprichwörtlich offen und ehrlich zeigte Madrids Tormann der Welt seine Liebe zu Sara Carbonero. Die Hände setzte Casillas jedoch auch als Torhüter überaus erfolgreich ein, wie beim gehaltenen Elfmeter gegen Paraguay oder gegen Toni Kroos im Halbfinale. Seit Jahren einer der weltbesten Tormänner und mit dem Lew-Jaschin-Preis bei der WM prämiert.

Sergio Ramos - Er martello pneumatico / Der Presslufthammer - Der blonde Andalusier ist erst 24 Jahre alt und doch gehört er seit langem zur internationalen Spitze auf der rechten Abwehrseite. Früher oft für sein ruppiges Auftreten berüchtigt, ist er zu einem unüberwindbaren Verteidiger mit ständigem Offensivdrang gereift, wahrscheinlich rennt er in bester Forrest-Gump-Manier immer noch die rechte Außenbahn entlang.

Gerard Piqué - Li occhi della tigre / Die Augen des Tigers - Die stahlblauen Augen des Barçaverteidigers strahlen eine unendliche Ruhe aus, als breite sich ein unendliches Meer in der Seele des 23-jährigen aus. Seit 2008 ist Piqué in seiner Heimatstadt zurück, in den vier Jahren davor lernte er alle Feinheiten des englischen Fußballs kennen und gehört nun zu den komplettesten Abwehrspielern weltweit.

Carles Puyol - L'incredibile Hulk / Der unglaubliche Hulk - Seien wir ehrlich, mit seinem Aussehen wird Puyol niemals einen Schönheitspreis gewinnen können. Doch das muss er auch nicht, seinen Job als erfahrener Anführer der spanischen Hintermannschaft erledigte der robuste Mann mit der Antifrisur aus bis auf wenige Schnitzer tadellos.

Joan Capdevila - L'assicurazione / Die Versicherung - Seit Jahren findet sich in Spanien kein talentierter Linksverteidiger, so dass Capdevila bereits 2008 als unscheinbarer, dennoch fähiger Stammspieler zum EM-Titel beitrug. Nicht anders hat es sich in Südafrika verhalten. Ohne zu glänzen, aber vor allem ohne zu patzen, hat er die linke Seite abgesichter und hat wie die namhafteren Mitspieler Geschichte geschrieben. Auch solche Spieler braucht ein Team.

Xabi Alonso - Er metronomo / Der Metronom - In einem aus Fußballkünstlern zusammengesetzten Mittelfeld spielt gerade dem Mann vor der Abwehr eine tragende Rolle. Mit ihm steht und fällt das ganze System. Xabi Alonso sorgte für die nötige Absicherung und fungierte als Taktgeber mit präzisen Zuspielen, wobei sein knallharten Schuss auch immer für Gefahr sorgen konnte. Noch vor zwei Jahren der 12. Mann, hat er nach einer enttäuschenden Saison bei Real Madrid seine Qualität bei der WM beweisen können.

Francesc Fàbregas - Er conijio dar cilindro / Das Kanichen aus dem Hut - In fast allen anderen Mannschaften wäre ein hochtalentierter Fußballästhet wie Cesc Fàbregas gesetzt, im spanischen Orchester musste Arsenals Ausnahmespieler oft zusehen. Im Finale zauberte Spaniens Trainer Del Bosque den Mittelfeldmann aus seinem Zylinder und siehe da, sofort setzte Fàbregas Akzente nach vorne und sorgte für Schwung im spanischen Spiel und legte für Iniestas Siegtor auf.

Sergio Busquets - L'ago de la bilancia / Das Zünglein an der Waage - Im Zusammenspiel mit Xabi Alonso sorgte Busquets für das Gleichgewicht im Spiel des Weltmeisters. Seine Aufgabe war oft unscheinbar, in der Rolle des "Wasserträgers" ging jedoch der 22-jährige aus Sabadell voll auf und hielt seinen Mitspielern immer den Rücken frei.

Xavi Hernandez - L'architetto / Der Architekt - Ein Pass nach dem anderen lief über die Schaltzentrale aus Barcelona. Xavi verlieh dem Spiel seine Struktur, er legte das ihr sein Fundament. Unverzichtbar.

Andrés Iniesta - L'emozione / Das Gefühl - Er schoss mit seinem Treffer ganz Spanien in ein unendliches Glück. Immer wieder bot sich der stille Arbeiter mit den feinen Füßen an, der Ball und er gehen bei jeder Berührung eine Symbiose an, die Kunst und Realität zugleich darstellen. Ergreifend.

David Villa - L'omo fatto gol / Das menschgewordene Tor - Mit seinen fünf Treffern trug der Mann entscheidend zum Titelgewinn bei. Kaum einem anderen Spieler in Europa gelingt es seit Jahren, ständig am richtigen Ort zu sein und dennoch bezaubernde Tore zu erzielen. Im Finale blieb ihm ein Treffer verweht, doch der Derwisch sorgte ständig für Unruhe in der niederländischen Hintermannschaft. Der ungeahndete Schlag ins Gesicht gegen Honduras' Izaguirre sorgt für einen faden Beigeschmack. Doch da frage ich mich, nach welchem Kriterium der Videobeweis von der FIFA gehandhabt wird.

Fernando Torres - Er frustrato / Der Frustrierte - Es war einfach nicht die WM des Fernando Torres. Wie so viele andere Weltstars des Fußballs blieb ihm der Torerfolg versagte, so dass er sogar aus der Stammelf gedrängt wurde. Im Finale durfte er für einen ermatteten Villa kurz vor dem 1-0, bei dem er ein wenig beteiligt war, eingewechselt werden und sich kurz darauf noch eine Verletzung zuziehen. Doch das wird dem niño am Ende auch egal gewesen sein.

Pedro Rodriguez - La scheggia impazzita / Der verrückt gewordene Funke - Der Wirbelwind sorgte im Halbfinale gegen Deutschland für Panik bei den Gegnern und Frust bei seinem Trainer, als er die Riesenchance zum 2-0 eigensinnig vergab. Gegen die Niederlande war dagegen der Wurm drin. Tanto fumo, niente arrosto. Viel Rauch, kein Braten, wie man Italien so sagt. Der Jungnationalspieler hat aber wie viele andere seiner Kollegen noch eine große Karriere vor sich.

Jesús Navas - La freccia in più/ Der Pfeil mehr - Pedro überzeugt nicht? Kein Problem für Del Bosque, der mit Jesús Navas noch einen Pfeil im Köcher hatte. Der quirlige Spieler aus Sevilla sorgte mit seiner Schnelligkeit für frische Wind, wenn seine Aktionen auch manchmal zu überhastet waren. Auch ihm gehört die Zukunft.

Vicente Del Bosque - L'omo co la bussola / Der Mann mit dem Kompass - Nach der überraschenden Niederlage im Auftaktspiel gegen die Schweiz ließ sich der Trainer nicht beirren. Die Gegner waren alles andere als Kanonenfutter, Fernando Torres war mehr Ballast als Galionsfigur, die Mannschaft wirkte manchmal konzeptlos oder wollte es zu kompliziert machen. Doch die Richtung stimmte, das wusste Del Bosque, und navigierte das spanische Schiff sicher durch recht turbulente Gewässer.

09.07.2010

Deutschland, das Opium ist alle

Die Betäubung hielt fast bis zum Schluss und nahm ein jähes Ende. Ein ganzes Land in Trance, in den Farben des Hambacher Festes gehüllt, musste zusehen, wie die Seele seiner bis dahin furios aufspielenden Mannschaft von Angst aufgefressen wurde. Das gewisse Quentchen Erfahrung fehlte bei den "jungen Wilden", der Europameister war eine Klasse abgebrühter, hatte von Beginn an die Fäden des Spieles in seiner Hand, rechtfertigte schließlich mit einer selten gefährdeten Dominanz den Finaleinzug.

Zum Halbfinale zwischen Deutschland und Spanien bleibt auch nicht viel mehr zu sagen, wie schon bei der WM vor vier Jahren unterlag die wohl unterhaltsamste Mannschaft des Turniers einem etwas reiferen Gegner und sollte darum erhobenen Hauptes als Verlierer vom Platz. Leider vergessen immer noch zu viele, dass gerade der Sport eine "Kultur des Verlierens" lehren kann, manchmal ist eben der Gegner besser oder hat das Glück auf seiner Seite.

Was mich vor allem fasziniert bei solchen Turnieren, ist die hypnotische Wirkung auf die Bevölkerung, die der Erfolg der geliebten Mannschaft auslösen kann. Der nationale Fußball ist gerade seit 2006 auch in Deutschland als Religion anerkannt. Eine Religion, der fast alle erliegen. Und hier trifft das berühmte Zitat "Religion ist Opium für das Volk" voll ins Schwarze. Die eigenen Sorgen sind wie verflogen, die großen Probleme im ganzen Land sind vergessen. Wehe, es reicht nicht zum ganz großen Glück, dann folgt die große Ernüchterung.

Bei zu vielen Idioten, anders kann man solche Personen nicht nennen, löst diese Ernüchterung gewalttätige Reaktionen aus, so auch in Saarbrücken. Glücklicherweise habe ich davon nichts bekommen, aber in vorherigen Artikeln habe ich genug über meine eigenen Erfahrungen mit den xenophoben Auswüchsen von Länderspielen erzählt. Dass auch die Verlierer mit den Gewinnern feiern können, durfte ich vor vier Jahren in Neunkirchen erleben, als der Großteil der enttäuschten deutschen Fans in der Innenstadt mit den Italienern feiern konnte. Oder diese zumindest in Frieden ließ.

Ich hoffe, dass das Spiel um den 3. Platz, so undankbar die Teilnahme daran auch sein mag, dennoch ein weiteres Fußballfest bieten wird, wie es doch oft genug während der K.O.-Runde der Fall war. Vielleicht rafft sich auch das Team aus Deutschland auf und bringt seinen Motor wieder zum Laufen. Eine Mannschaft, die noch viele spannende Fußballgeschichten schreiben kann, nun aber erst hungrige Uruguayer besiegen müssen. Denn das sollte nach dem Halbfinale klar sein: Von alleine lassen sich Spiele nicht gewinnen.

Am Sonntag im Finale wird es eine weltmeisterliche Premiere geben, darüber sollte sich jeder neutrale Fußballfan freuen. Auf der einen Seite Spanien, die gegen Deutschland ihr tiqui taca genanntes Spiel wieder entdeckt haben, auf der anderen Seite die Niederlande, die unaufhörliche ihre Siege einfahren.  pulen Ein Fußballfest könnte es zwar auch werden, doch wer den Fußball kennt weiß, dass dies bei Finalspielen selten der Fall ist. Auf die Spannung, die klirrende Hitze auf dem Platz, die die Luft auch in meiner Umgebung zum Vibrieren bringen wird, freue ich mich jetzt schon.

04.07.2010

Vom Sturz der Götter, von Menschen und Maschinen

Drama war mein Schlusswort im letzten Artikel, und Drama sollte uns geboten werden. Saarbrücken war in den letzten Tagen von einer unbeschreiblichen Hitze durchdrungen, das Gewicht großer Fußballmomente sollte sich für mich und die anderen Fußballbegeisterten im Wetter manifestieren. Heute morgen hat sich all die angestaute Hitze endlich entladen. Der Tag danach kommt einer Götterdämmerung gleich. Es schien so, als sei die WM 2010 fest in südamerikanischer Hand. Doch nach den Viertelfinalspielen bietet sich ein ähnliches Szenario wie bei der WM 2006, als vier Vertreter aus Europa den Titel unter sich ausmachten. Uruguay steht nun allein auf weiter Flur Deutschland, den Niederlanden und Spanien gegenüber. Vor allem jedoch wurden Argentinien und Brasilien, die zwei großen Favoriten aus Südamerika, jäh aus ihren Titelträumen gerissen.

Beide Mannschaften scheiterten letztlich auch an ihrer Überheblichkeit, ohne dabei die Verdienste des deutschen und des niederländischen Teams schmälern zu wollen. Dunga hatte aus der enttäuschenden brasilianischen Mannschaft von 2006, die dem selbst auferlegten Anspruch eines begeisternden jogo bonito nicht genügen sollte, eine rationale Mannschaft aus exzellenten Technikern geformt, die bis zum Halbzeitpfiff im Spiel gegen die Niederlande ihren Masterplan perfekt umgesetzt hatte.

Felipe Melo, der sogar Robinhos Führungstor eingeleitet hatte, wurde zur tragischen Figur. Der oft ungestüme Mittelfeldmann von Juventus Turin, der sich in Italien den unrühmlichen Titel bidone dell'anno, Mülleimer des Jahres, verdient hatte, eine Art "Goldene Himbeere" des italienischen Fußballs. Die Niederlande haben sich zu einem effizienten Uhrwerk Orange entwickelt. Vorbei die Zeiten des Totaalvoetbal, der in den Siebzigern von Cruyff und Co. zelebriert wurde. Der dominierende Offensivgedanke, der sich auch bei der EM 2008 nicht auszahlen sollte, ist einem erfolgreicheren nüchternen Stil gewichen.

Ähnlich nüchtern präsentiert sich Uruguay bei dieser WM, was den leidenschaftlich auftretenden Ghanaern zum Verhängnis wurde. Den dramatischen Höhepunkt der WM stellte wohl auch die Szene in der 120. Minute zwischen Uruguay und Ghana dar, als Suarez das sichere Siegtor für die Black Stars mit der Hand verhinderte und sich damit für seine Mannschaft opferte, um noch eine Minimalchance auf das Weiterkommen zu wahren. Asamoah Gyan, der an den Elfmeterpunkt trat, konnte die Last eines ganzen Kontinents auf seinen Schultern nicht stemmen.

Was sich dagegen am Samstag nachmittag zwischen Argentinien und Deutschland abspielte, war die Demontage eines Fußballgotts. Das frühe Standardtor für die deutsche Elf - nach zwei Jahren - war bereits das Vorzeichen für einen Tag, in dem alles richtig laufen sollte. Argentinien gelang es kaum, sein Offensivpotential in Torgefahr umzumünzen, die albiceleste wirkte immer ratloser und sah am Ende einem erneuten Torfestival des deutschen Teams ohnmächtig zu. Maradona mag mit seinem Charisma ein exzellenter Motivator für das Team gewesen sein, doch gerade in so einem Spiel fehlte eben ein wirklicher Trainer.

Deutschland begeistert mit seinem schnörkellosen, schnellen Fußball die Menschen im eigenen Land und im Rest der Welt. Wie dieser funktioniert, wird in diesem taz-Artikel wunderbar beschrieben. Die Mannschaft läuft und läuft und läuft wie ehemals der in der ganzen Welt beliebte Käfer. Dem perfekt geschmierten Motor wird mit Müller ein wichtiges Zahnrad gegen Spanien fehlen.

Die Spanier selbst haben jedoch mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen, deren perfekte Kurzpassspiel kam auch gegen die taktisch geschulten Paraguayer oft ins Stottern, doch die Iberer konnten sich wieder auf einen überragenden David Villa verlassen. Lange schien es, als sollte die Partie als größte Ansammlung von technischen Peinlichkeiten in die Geschichte eingehen, bis der turbulente Elfmeterwahnsinn in der Mitte der zweiten Hälfte Pfeffer ins Spiel brachte.

Es ist der Tag nach der große Sause, die Alkohol- und Deutschlandfahnen von gestern sind verschwunden, mit all den sympathischen und weniger freundlichen Gesichtern, die die Fahnen zeigen. Schland ist nicht immer ein Sch...land.

29.06.2010

Fußball, Kamera und Action

Nun sind alle Achtelfinalspiele bei der WM vorbei, dabei konnte man wieder mal alles erleben, was die K.O.-Runde aufbieten kann. Und sogar etwas mehr. Vom langweiligen Ballgeschiebe über enge, umkämpfte Spiele bis hin zu klaren Siegen, gar einem legendären Duell. Egal wie stark der Sport heutzutage kommerzialisiert sein mag, der Fußball lebt vom Mythos, von der Legendenbildung.


Eine 44 Jahre alte Legende hatte für einen Moment im Spiel Deutschland gegen England seinen großen Auftritt, als würde Jesu Christi seinen Jüngern wieder erscheinen. Lampards Schuss zum 2-2 wurde nicht gewertet, obwohl der Ball klar hinter der Linie war. Das Wembley-Tor von 1966 lebte wieder auf. Bloß waren in jenem Augenblick die Rollen vertauscht. Für "Fußballdeutschland" war es die Revanche an Geoff Hursts Treffer zum damals vorentscheidenden 3-2. Aus neutraler Sicht war es wieder eine der vielen Geschichten, die der Fußball schreibt. Der Fußball lebt von dieser Faszination. Er ist oft ungerecht, oft bricht er dir das Herz, doch schenkt er Dir auch unvergessliche Momente, und am Schluss sind wir einfach das, was wir eben sind. Menschen. Mit allen Höhen und Tiefen. Solch einen Drehbuchautor wünscht sich jedes Filmstudio, von Hollywood bis Mumbai.

Um den Fußball in seiner Essenz, dem Spiel, nicht ganz aus den Augen zu verlieren, will ich mich vor dem Spiel der deutschen Mannschaft verneigen. Die junge Truppe hat es geschafft, das Fehlen einer klaren Führungsfigur zu kompensieren, und das über den Teamgeist, der beim Mannschaftssport das Alpha und Omega darstellt. Vielleicht hätte alles anders laufen können, wäre Lampards Treffer gezählt, doch das gehört eben dazu und darum muss man auch vor der Fairness der englischen Öffentlichkeit den Hut ziehen, die die Überlegenheit der deutschen Mannschaft anerkannt haben.


Das Aufleben des Mannschaftsgeistes ist es, was mir bei dieser WM große Freude bereitet. Man sehe sich die verbliebenen Teams an, zwar gibt es überall Spieler, die herausstechen, doch schließlich ist der Erfolg immer auf viele Schultern verteilt. Da können Nike und Adidas noch so viele Werbespots produzieren, in denen einzelne Stars zu übermenschlichen Wesen aufgebauscht werden. Wie viel solch ein Konzept wert ist, hat man an Rooney, Ronaldo oder Ronaldinho, der nicht mal dabei war, gesehen. Auch bei Messi hoffe ich, weniger sinnlose Sololäufe zu sehen, denn dann könnte er zu dem WM-Star werden, der er sein will. Fällt es dem piojo schwer, aus Maradonas Schatten bei diesem Turnier herauszutreten?

Es hat sich die Spreu vom Weizen getrennt. Leidenschaftliche Ghanaer werden auf clevere Uruguayer treffen, Spanien kann auf den treffsicheren Villa zählen, der einen immer noch nicht fitten Torres vergessen lässt. Mit den sehr defensiven Paraguayern könnte es jedoch ähnlich schwer wie mit Portugal werden. Mit Deutschland-Argentinien und Brasilien-Niederlande erwarten uns zwei hochkarätige Partien im Viertelfinale, doch die Erwartungen sollten nicht zu hoch sein, sonst wird man schnell enttäuscht, wie die taktisch geprägte Partie zwischen Spanien und Portugal heute bewiesen hat. Aber auf eines dürfen wir uns sicher freuen. Viel Drama.

26.06.2010

Baila, baila... - Lateinische Tänze bei der WM

Gestern wurden die letzten Vorrundenspiele der WM 2010 ausgetragen, mit Brasilien, Portugal, Spanien und Chile haben sich weitere vier "lateinische" Länder für das Achtelfinale qualifiziert, so dass die Hälfte der 16 verbliebenen Mannschaften spanisch oder portugiesisch spricht. Damit steht bereits das Leitmotiv der südafrikanischen Fußballweltmeisterschaft in Südafrika feststeht. Es wird kein Waka Waka getanzt, sondern Samba, Cueca, Fado und Flamenco.

Es sollte die WM der afrikanischen Mannschaften werden, bloß Ghana ist übrig geblieben. Zwar macht der Fußball Afrikas weiter seine Fortschritte, doch wie bei den vorherigen Weltmeisterschaften fehlt es an Kontinuität. Ghanaer wird es zudem mit den USA zu tun haben, bei denen die intensive Jugendarbeit sowie die Professionalisierung des soccer Früchte zeigt. Mut machen könnte deren Begegnung bei der WM vor vier Jahren, als die Black Stars mit 2-1 die Stars & Stripes bezwangen und sich auch damals für das Achtelfinale qualifizieren konnten.

Dass die WM-Gastgeber von 2002, Japan und Südkorea, im Turnier geblieben sind, ist dagegen ein positives Signal der beiden stärksten Vertreter des asiatischen Kontinents. Die taktisch klugen Uruguayer werden es jedenfalls mit technisch versierten und laufstarken Koreanern nicht allzu leicht haben. Europa dagegen hat stark an Boden verloren, die WM-Finalisten von 2006 sind nach enttäuschenden Leistungen bereits nach Hause geflogen, sowohl Frankreich als auch Italien steht ein großer Umbruch bevor.

Die beiden Erzrivalen England und Deutschland treffen morgen aufeinander, eine wahre Nervenschlacht ist vorprogrammiert, dabei wird das Feld der Europäer weiter dezimiert. Schade eigentlich, denn beide hätte man nun vom Potential her zum Kreis der letzten Vier zählen können, vor allem die junge deutsche Mannschaft hat die technischen Mittel, gerade jetzt wird es sich zeigen, wie sehr eine Leitfigur wie Ballack ersetzt werden kann.

Im Anschluss daran wird der große Titelfavorit Argentinien in seinem Achtelfinale wieder auf Mexiko treffen, wie schon vor vier Jahren, als die Mexikaner erst nach der Verlängerung die Segel streichen mussten. Auf dem Papier sind die gauchos klarer Favorit, doch habe ich das Gefühl, dass die Mexikaner nicht so leicht abgeschrieben werden sollten.



Bei den weiteren Partien scheint das Spiel der abgeklärten Niederländer gegen die überraschenden Slowaken von vornherein entschieden, doch ähnliches dachten wohl auch die Italiener... Die "europäischsten" Brasilianer aller Zeiten, was man bereits bei der Copa América 2007 sehen konnte, werden versuchen, den Chilenen ihre Spielfreude zu nehmen, um mit ihrer kaltschnäuzigen Offensive das deklarierte Ziel vom 6. WM-Titel weiter zu verfolgen. Paraguay gegen Japan scheint wiederum recht ausgeglichen, beide Teams haben mit akzeptablen, aber sicher nicht überragenden Leistungen, die nächste Runde erreicht.

Europameister Spanien hat nun die große Chance, auch auf WM-Ebene den großen Coup zu landen, Portugal muss dagegen das Etikett einer spielstarken, doch erfolglosen Fußballnation erst noch abschütteln. Wie bei Deutschland gegen England lebt das Duell der beiden Nachbarn von der iberischen Halbinsel vor allem von seiner Brisanz.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die Mannschaften nicht gegenseitig annullieren werden, wie wir es allzu oft während der Gruppenphase erleben durften. Es ist eine WM, das darf nicht vergessen werden, den Mannschaften wird es nicht darum gehen, mit Zauberfußball die Herzen der Zuschauer zu erobern. Manche eben mit etwas mehr Elan, manche wiederum mit einem etwas vorsichtigeren Ansatz. Ein heißer Tanz steht an. Wir werden sehen, zu welchen Rhythmen.

24.06.2010

Kunstloses Brot - Italien und die Negation des Fußballs

In Zeitlupe segelte der Ball über Marchetti hinweg und landete im Tor. Es war das letzte Bild, dass ich vom italienischen Debakel in Südafrika sah. Nach dem 3-1 der Slowaken schaltete ich den Büromonitor aus, stempelte mich aus und verließ mit meinem Kollegen das Gebäude, um endlich meine Feierabendzigarette anzuzuzünden.

Keine Trauer lag in meinem Herzen, nur eine gewisse Leere, aber vor allem auch ein erlösendes Gefühl. Endlich hatte der Spuk für mich ein Ende. Ich erklärte meinem Freund noch, dass die squadra azzurra von Beginn an überhaupt nicht Fußball gespielt hatte und dass den Slowaken eine ordentliche Leistung genügt hatte, um die völlig konzeptlose italienische Mannschaft zu schlagen.

Logik war schon immer mein Feind, ich bin ein Sohn des Chaos, des Wahnsinns, und hoffentlich auch des Genies. Endlich hatte ich die Logik durchschaut, Italiens sang- und klangloses Ausscheiden bei der WM 2010 war die Konsequenz aus einer von Spiel zu Spiel schwächer werdenden Gesamtleistung, der Hilflosigkeit des Trainers, der in jedem Spiel ein anderes taktisches Konzept gewählt hatte und dieses zur Halbzeit wieder über Bord werfen musste. Wie ein angeschlagener Pirlo, der keine gute Saison gespielt hatte, für eine Verbesserung des Ganzen sorgen sollte, bleibt mir schleierhaft.

Es sorgte für einige Verwunderung, als ich erfahren durfte, dass sogar der Anschlusstreffer zum 2-3 gelungen war und im Anschluss sogar der Ausgleich mit der damit verbundenen Qualifikation möglich war. Doch dieses Mal hatte die Logik endlich Recht behalten. Ich bin im Hier und Jetzt gelandet und bin endlich frei. Frei von der Qual, für eine Mannschaft ohne Qualität leiden zu müssen. Frei von der Wut über einen Trainer, der alles falsch gemacht hat. Angefangen bei der Wahl des WM-Kaders über die taktischen und personellen Entscheidungen während des Turniers bis hin zu seiner Pressekonferenz nach dem Spiel.

"Ich nehme alle Schuld auf mich", sagte der sichtlich enttäuschte Lippi. "Die Spieler waren verängstigt und terrorisiert, ich kann mich nur bei den Fans entschuldigen." Ich kann diesem Mann keine Größe in seiner dunkelsten Stunde anrechnen, wenn von vornherein entscheidende Fehler begangen und diese mit arroganten und fadenscheinigen Argumenten ("In Italien sind keine Ausnahmespieler gelassen worden") noch in Schutz genommen worden sind. Was will man von einem Trainer erwarten, dessen Abschied bereits vor der WM beschlossene Sache war, dessen Nachfolger bereitsteht? Ein wahres Kunststück hat Lippi dennoch vollbracht. Seine Mannschaft bot eine noch schlechtere Darbietung als Donadonis Truppe bei der EM 2008.

Als mein Lieblingsspieler De Rossi mit einem eklatanten Fehlpass den Untergang einleitete, war die Sache für mich die WM aus italienischer Sicht abgeschlossen. War gegen Paraguay zumindest ein bemühtes und zugleich mühseliges Spiel nach vorne zu sehen, wurde dies gegen Neuseeland mit sinnlosen Flanken und Bällen in die Spitze karikiert. Der vollkommen passive Auftritt bis zum 0-2 war vollkommene Resignation. Die Zeitungen reden zurecht von einer Schande, es war ein peinlicher Auftritt, doch ich habe keinen Grund zu trauen. Ich bin endlich frei.

Die furiosen Schlussminuten waren kunstloses Brot. Ein mehliger Pizzateig, dem der so wichtige Belag fehlte. Ranziger Käse in Form überalterter Weltmeister, unreife Tomaten, dargestellt von jungen Spielern, denen die internationale Klasse fehlt, sind keine Zutaten, um in der leichtesten WM-Gruppe bestehen zu können. Vom ersten Moment an hat Italien den Fußball negiert und nur in wenigen Momenten ansatzweise etwas mit dem Sport zu tun.

Nach der desolaten WM soll nun Claudio Cesare Prandelli aus dem italienischen Scherbenhaufen ein Team internationalen Formats schaffen. In seinen Jahren in Florenz konnte er beweisen, dass er weiß, wie man junge Spieler aufbaut, doch wirklich überzeugen konnte er nicht, auch weil er noch nie mit einem großen Verein um Titel mitspielen konnte. 2004 hatte er zwar beim AS Rom den Trainerposten übernommen, doch nach dem tragische Tod seiner krebskranken Frau entschloss er sich nach wenigen Wochen, sich für ein Jahr vom Fußball zurückzuziehen. Prandelli bewies damals bereits seine menschliche Größe. Und das zählt zu den wichtigen Dingen des Lebens. Nicht der Fußball, der nur eine Allegorie des Lebens darstellen kann.

Özil, Gefühle und The Van Pelt

Oft reichen einfach nur kurze Momentaufnahmen. Mit ihrem Pathos, ihrer Ausdruckskraft, ihrer Symbolik. Sie bringen es genau auf den Punkt, es bedarf keiner langen Abhandlungen, keiner präzisen Analyse, um darzulegen, was geschieht. In Italien kennen sie alle Tardellis befreienden Jubellauf nach seinem Treffer gegen Deutschland im WM-Finale 1982. Als Maradona vier Jahre später fast sechs englische Spieler narrte, blieb die Zeit im Estadio Azteca stehen.

Als Mesüt Özil am heutigen Abend seine "linke Klebe" gegen Ghana auspackte, sorgte er bei Millionen Fußballfans für Erleichterung. Der geniale Spielmacher von Werder Bremen hatte bereits in der ersten Halbzeit eine Riesenchance im Alleingang, doch war sein Versuch, den Schuss platziert im Tor unterzubringen, an Kingson gescheitert. "Scheiß auf Gefühl" lautete da die Devise des türkischstämmigen Gelsenkircheners. Manchmal muss man eben das Gefühl außer Acht lassen, um sein Glück zu erzwingen.

Verblüffend sind die Parallelen mit dem Turnierverlauf für Deutschland bei der EM 2008. Auch damals musste Ballack mit einem Gewaltschuss die Erlösung herbeiführen. Erfreulich, dass die ebenbürtigen Ghanaer ins Achtelfinale vorrücken.

Die deutschen Spieler, aber auch die Fans auf den Tribünen in Johannesburg sowie vor den Fernsehern und Leinwänden weltweit mussten leiden. "It's a suffering". The Van Pelt wusste das schon. Jeder echte Fußballfan weiß dies ebenso gut. Man möge mir verziehen, wenn ich mit dem schwammigen Wort "echt" zu differenzieren versuche. Zwischen denen, die nur sporadisch mitfiebern, und denen, die Fußball leben, ihn atmen, daran zerbrechen und durch ihn wieder auferstehen können.

Ich gehöre zu der zweiten Sorte. Ich habe Rom gegen Manchester 7-1 verlieren sehen und lief wie betrunken durch die Straße. Ohne einen Tropfen Alkohol in meiner Blutbahn. Nur unendlich Leid. Ich habe die italienische Nationalmannschaft vier WM-Turniere hintereinander auf bittere Weise, meist im Elfmeterschießen, verlieren sehen. Ich musste zweimal, im EM-Finale 2000 und im WM-Achtelfinale 2002, etwas Unerhörtes erleiden. Augenblicke, Momente. Für mich handelte es sich um sudden death, für Frankreich und Südkorea waren es Golden Goals.

In all diesen Jahren musste ich leider auch oft genug in Deutschland erleben, zu was sich sportliche Rivalität steigern kann. Es ist nicht schön, wie Medien mehr oder minder fremdenfeindliche Hetze betreiben und sich leider auch viele hetzen lassen. Es ist nicht schön, Menschen im Eiscafé der Eltern zu sehen, mit der Aussage, dass sie kein Eis mehr kaufen werden. Von den Drohungen und Beleidigungen ganz abgesehen.

1990, als Deutschland in Italien Weltmeister wurde, hatte ich mich gefreut, weil die argentinischen Finalgegner meine Lieblingsmannschaft, die meine ersten Fußballidole Roberto Baggio und Giuseppe Giannini aufstellte, um das Finale gebracht hatte. Ich musste direkt ins Bett, mein Vater war nicht so glücklich, Jahre später lernte ich auch, warum. Es ist ein zwiespältiges Verhältnis zu einem Land, in dem man viele Menschen ins Herz schließt, aber leider immer wieder auf welche, die einem das Gefühl geben, nur geduldet zu werden.

Ich bin heute Abend spontan doch noch vor die Tür, habe mit ein paar Freunden auf dem Saarbrücker Landwehrplatz das Spiel Deutschland-Ghana verfolgt und konnte mich für meine Freunde über das Ergebnis freuen. Wie man sich eben für Freunde freut. Es waren auch andere gute Menschen dort, Deutsche und Ghanaer. Für die Guten konnte ich mich freuen. Mein Kompass funktioniert noch.

20.06.2010

Kiwis im abgelaufenen Obstsalat

Nach dem halben Fehlstart gegen Paraguay sollte Italien mit dem 1-1 gegen Neuseeland die letzten Zweifel beseitigt. Der amtierende Weltmeister ist alles andere als ein Mitfavorit bei der WM. Bestärkt durch die wenig überzeugenden Auftritte anderer großer Fußballnationen in Südafrika, wurde das eher magere Unentschieden vom ersten Spiel innerhalb der Mannschaft als Zeichen dafür gewertet, dass die Chancen für eine Titelverteidigung gar nicht so schlecht stehen würden. Die spielerischen und taktischen Defizite haben die azzurri Lügen gestraft.

Wieder musste das Team einem durch einen Standard eingeleiteten Rückstand hinterher laufen, ebenso war es eine Standardsituation, die für den Ausgleich sorgen musste. Wenig nützt es den ewigen Haderern, dass der frühe Treffer der Neuseeländer womöglich wegen einer Abseitsstellung oder durch ein Foul hätte aberkannt werden müssen, wenn im Gegenzug das naive Geschenk in Form eines Trikotzupfers zum rettenden Elfmeter führte, jedoch eher Verzweiflung als Motor der italienischen Offensivbemühungen fungierte.

Ordentlich ausgeführte Spielzüge? Fehlanzeige. Entweder versuchten es die Italiener mit Einzelaktionen oder sterilen Flanken vom Fließband, die gegen die hochgewachsene Hintermannschaft aus Ozeanien fruchtlos blieb. Fruchtlos wie ein abgelaufener Obstsalat, dem die Süße schon längst abhanden gekommen ist. Kein farbenfroher "tutti frutti"-Fußball, sondern Camoranesi-Wurst oder hüftsteifes Cannavaro-Schnitzel beziehungsweise Abwehrschnitzer. Da die Italiener weltweit größter Produzent von Kiwifrüchten sind, hatte der erfolglose Auftritt gegen die Kiwis aus Neuseeland in der Tat eine witzige Seite für Freunde des Wortspiels und die Ökotrophologen unter uns.

Ein generell wünschenswerter Trend dieser WM sah sich zudem wieder bestätigt: die ehemals kleinen Fußballnationen haben im taktischen Bereich Boden gut gemacht, gerade im Defensivbereich. Auf der Gegenseite scheint es aber auch, dass es insgesamt an Kreativität mangelt. Darum sind Typen, die mit ihrer atypischen und nicht in Schemata gepressten Spielart auftreten, wie das Manna, das vom Himmel fällt. Ein wirkliches Zwischenfazit zu allen Teams erlaube ich mir jedoch erst nach dem Ende der Gruppenphase.

15.06.2010

De Rossi und die Identität

Lange genug hat dieser Blog Staub angesetzt, was böte sich da besser an als der erste Auftritt der italienischen Nationalmannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika, um einen Versuch zu starten, dem Ganzen wieder Leben einzuhauchen.

Wie zu erwarten war, hat sich die squadra azzurra nicht mit Ruhm bekleckert. Die Meister des Ergebnisfußballs, die getreu dem ökonomischen Prinzip mit minimaler Leistung das Maximale zu erzielen wissen. Ähnliches spielte sich gestern Abend in Kapstadt ab. Wie so oft war es eine Standardsituation und der eklatante Torwartfehler von Vilar, der den amtierenden Weltmeistern zum Torerfolg verhalf.

Es war im Grunde keine Überraschung, dass die in der WM-Qualifikation überzeugenden Paraguayer eine gute Figur abgeben würden, gerade gegen den amtierenden Weltmeister, Opfer einer bereits 1986 gesehenen Schizophrenie. Einerseits hielt Lippi an vielen seiner Helden von Berlin trotz ihres Alters und ihrer Formschwäche fest, andererseits wurden jüngere Spieler integriert, die jedoch keinen internationalen Ansprüchen genügen.

Vor allem jedoch fehlt es der Mannschaft an Spielwitz. Weder kann diese Mannschaft, die zudem in ein nicht auf sie zugeschnittenes System gepresst wird, durch ansehnliches Kombinationsspiel nach vorne spielen, noch gibt es Spielertypen, die mit einer zündenden Idee das Spiel entfachen könnten. Der verletzte Pirlo ist der Godot, auf den Lippi wartet, doch auch der Regisseur des AC Milan hat keine gute Saison gespielt.


Gegen die Südamerikaner war das Spiel der Italiener zwar stets bemüht, die Angriffsbemühigungen wirkten jedoch stets zu mechanisch, ideenlos. Trainer Lippis Aufstellung ließ bereits zu wünschen übrig, doch auch auf dem Platz waren die Mittel der Akteure im Offensivspiel beschränkt. Es war symptomatisch, dass eine Kämpfernatur wie De Rossi für den heilbringenden Ausgleich sorgen musste. Als einer der verbliebenen Weltmeister und gerade mal 26 Jahren repräsentiert der blondbärtige Mann aus Ostia auch das Bindeglied zwischen der alten und der jungen Generation.

Für mich persönlich war es eine doppelte Freude, dass ein Römer und romanista das Tor geschossen hat. Ich bin skeptisch, was Lippis Entscheidungen anbelangt und wäre sehr überrascht, wenn die Mannschaft über das Viertelfinale hinaus kommen sollte, was in etwa der aktuellen Dimension der azzurri entspricht. Dennoch drücke ich diesen Spielern die Daumen, was sich hauptsächlich durch Gesten und Flüche ausdrückt, wie ich es auch beim Autofahren halte. Hassliebe?

Denn an etwas im Grunde so Nichtigem wie Fußball orientiere ich, wenn es um der Suche nach dem Sinn ergibt. Wo komme ich her? Was bin ich? Wo will ich hin? Die stete Suche nach der eigenen Identität spielt für einen von Gedanken durchdrungenen Menschen eine große Rolle. Umso schwerer fällt dies, wenn man Wurzeln in einem anderen Land und anderen Kultur besitzt. Ein Teil meiner Identität, einfach meiner Art zu sein, hat seinen Ursprung in den Dolomiten, in den Abruzzen und zu guter Letzt in Rom. Eine lebenslange Suche, in der das Herz mein Kompass ist. Und wenn es "zu Hause" tanzen sollte, täte es dies zu "Bella Ciao".