17.10.2011

Fußball ist nicht alles

Fußball kann einem die größten Glücksgefühle geben, aber auch für unendlichen Frust sorgen. Aber am Ende ist all das eigentlich nicht so wichtig, doch das begreifen wir oft nicht sofort. Das Derby zwischen Lazio und dem AS Rom am gestrigen Abend sah ich deshalb mit gemischten Gefühlen, doch dazu später mehr.

Nach der Länderspielpause war die Spannung groß, wie sich die großen Teams am 7. Spieltag präsentieren würden. Hauptaugenmerk lag dabei bei den Teams aus Mailand, die sich bisher nicht mit Ruhm bekleckert hatten. Bei Milan hatte Ibrahimovic für Aufsehen gesorgt, als er vom Trainingslager der Schweden verlauten ließ, er habe nicht mehr so viel Spaß am Fußball wie früher. So schnell wie möglich musste Präsident Galliani das Ganze dementieren, hatte der Verein, wie auch sein Boss Berlusconi, nicht schon genug Sorgen. Das überzeugende 3-0 gegen Palermo machte dann alle wieder glücklich.

Bei Inter sieht es dagegen düster aus. Vor der Pause gingen die nerazzurri mit 0-3 zuhause gegen Neapel unter, bei Catania lief es nicht viel besser. Trotz einer frühen Führung verloren Ranieris Schützlinge in der zweiten Halbzeit vollkommen die Kontrolle über das Spielgeschehen und bleiben weiter im unteren Teil der Tabelle hängen. Für eine Überraschung sorgte auch Parma, die bei Neapel einen Sieg einfahren konnten.

Richtig langweilig wurde es nach den Samstagspartien am Sonntagnachmittag. Gleich fünf Spiele gingen mit 0-0 aus. Italienischer Fußball in seiner Reinform? Es sah jedenfalls danach aus. Juve hatte noch zuvor gegen Milan überzeugend mit 2-0 gewonnen, bei Chievo Verona half auch die Einwechslung von Del Piero nichts. Dem Kapitän gelang nur ein Pfostentreffer per Kopf. Das einzige Spiel, bei dem Tore fielen war Novara-Bologna, was auf dem Papier wirklich kein Duell für Feinschmecker war. Für die Mannschaft aus der Hackfleischsoßenstadt war das 2-0 der erste Saisonsieg überhaupt.

Am Sonntagabend kam es dann zum Topspiel zwischen Lazio und der Roma. Nach den Randalen am Vortag in der italienischen Hauptstadt gab es Sorgen, doch das Spiel verlief ohne Zwischenfälle. Die letzten 5 Partien hatte Lazio verloren, was wohl beim AS Rom zu einer leichten Überheblichkeit geführt hatte. Vor allem, nachdem Osvaldo bereits nach 5 Minuten den Führungstreffer erzielen konnte und mit einem leicht abgewandelten Spruch auf dem T-Shirt feierte, mit dem Totti bereits 1999 die Lazioanhänger gefoppt hatte. "Auch ich habe euch ein Abfuhrmittel verpasst".

"Das geht nach hinten los", dachte ich mir. Und so kam es auch, in der 2. Hälfte setzte Lazio zu einem furiosen Angriffsspiel an, das nach wenigen Minuten mit einem Elfmeter und einer Roten Karte für den dämlichen Dänen Kjaer belohnt wurde. Nach 2 Aluminiumtreffern durch Klose und Cissé kapitulierte der AS Rom nach 92 Minuten und 30 Sekunden, als die Abseitsfalle zum wiederholten Male nicht funktionierte und Klose zum verdienten Siegtor einschieben Konnte. Aus Miro wurde "Mito", der Legendäre.

Nach dem ersten Schock fand ich jedoch schnell meine Fassung wieder. Es war ja nur Fußball. Eine schöne Nebensache, doch gibt es viel wichtigere Dinge im Leben, und oft wissen wir es nicht zu schätzen. Setzen Prioritäten, wo keine sind, regen uns über Dinge auf, über die wir uns freuen sollten. Ich wischte mir zwei Tränen aus den Augen und legte mich ins Bett.

27.09.2011

Happy Birthday, Capitano

Totti ist trotz seiner 35 Jahre immer noch agil.
Heute vor 35 Jahren kam Francesco Totti auf die Welt. Der kleine blonde Knabe von Enzo und Fiorella Totti wuchs in einer Familie von Romfans auf, im Herzen Roms. Dass er eines Tages das Herz der Römer erobern würde, konnte noch niemand ahnen. Doch in seiner mittlerweile zwanzigsten Saison als Profi angelangt, die er alle beim AS Rom gespielt hat, ist er mittlerweile über den Status einer Legende hinausgewachsen. Viele junge Fans kennen den Verein nicht ohne die unumstößliche Führungsfigur. Viele Höhen und Tiefen haben sie mit ihm geteilt, die größten Erfolge mit und dank ihm gefeiert. Trainer und Präsidenten kamen und gingen, Totti ist einfach.

Immer wieder wurde er totgesagt, so wie nach seinem Wadenbruch und mehrfachen Bänderriss im Februar 2006. Er kämpfte sich mit einem harten Training zur WM 2006 und wurde mit seiner Spielübersicht, seinen klugen Pässen und dem spielentscheidenden Elfmetertreffer im Achtelfinale einer der Helden der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland.

Auch die neue Saison, mit dem neuen Eigentümer Tom DiBenedetto - heute offiziell zum Vereinspräsidenten gekürt - und dem jungen Trainer Luis Enrique an der Spitze, startete für Totti unter einem schlechten Stern. Trotz aller Unkenrufe, trotz seiner 35 Jahre, ist er immer noch da und ist wegen seiner Klasse nicht aus der Mannschaft wegzudenken. Seine Karriere hätte sicher erfolgreicher sein können, wäre er bereits vor vielen Jahren zu einem internationalen Spitzenklub gewechselt und hätte er sein größtes Manko, seine Hitzköpfigkeit, überwinden können. Mit seiner Vereinstreue, seinen Tricks, sogar mit seinen heutigen Sprints, um am eigenen Strafraum die Gegner zu stören, ist er trotz all seiner Fehler eine vom Aussterben bedrohte Art.*

Am Wochenende konnte der Verein nach dem enttäuschenden Saisonstart auch endlich den ersten Saisonsieg feiern. Nach Osvaldos Kopfballtor im Stile Batistutas schüttelte die Mannschaft auch ihre Ängste ab und zeigte über weite Strecken eine beeindruckende Leistung mit viel Ballbesitz und gefährlichen Pässen in die Spitze. Mit Heinze und Burdisso scheint die Innenverteidigung auch gefestigt, auch weil Kjaer an Wolfsburger Zeiten erinnerte und in der Halbzeit ausgewechselt wurde. Es fehlt nur noch Tottis erstes Saisontor für eine perfekte Geburtstagswoche, mit einem Pfostenschuss war er gegen Parma schon sehr nah dran.

Auch unter der Woche wurde gespielt, wobei der AS Rom von Glück reden konnte, dass das Heimspiel gegen die munter aufspielenden Gäste aus Siena nicht sogar verloren ging. Nach dem Debakel bei Novara wurde bei Inter Claudio Ranieri zum Retter, es folgten prompt Siege bei Bologna und heute gegen CSKA Moskau in der Champions League. Milan tut sich ob seiner vielen Verletzten schwer, Juve, Neapel und Lazio finden auch noch nicht ganz zu ihrer Form. So ergibt sich ein äußerst enges Feld nach vier Spieltagen, wie schon seit zirka zwanzig Jahren nicht mehr.

Die vermeintlich "kleinen" Vereine spielen bisher gut mit, so dass die Meisterschaft sehr ausgeglichen ist. Während einige Kritiker darin eine Nivellierung des Leistungsniveaus nach unten sehen, begrüßen andere diese Entwicklung. Ich zähle mich zu Letzteren. Zwar werden sich meiner Meinung nach mit dem Fortschreiten der Saison die renommierten Klubs wie Inter, Milan und Juve wieder als Titelkandidaten herauskristallisieren, doch ist die Liga noch lange nicht ein Spielplatz für einige Auserwählte. Man sehe sich die Primera División an: Nach Barça und Real die Sintflut. Gerade weil dieses Jahr ein Champions-League-Platz weggefallen ist, wird es in der zweiten Saisonhälfte noch heiß hergehen.


* Einige Informationen stammen vom Wikipedia-Artikel über Totti. Da ich ihn selbst seit vielen Jahren pflege, ist alles mit Gewähr.

21.09.2011

Angst essen Inter auf

Wer das gestrige Spiel zwischen Aufsteiger Novara und Inter Mailand verfolgt hatte, sah auf der einen Seite eine durchorganisierte Mannschaft, die immer wieder aus einer soliden Defensive über drei, vier Stationen vor dem gegnerischen Tor auftauchte und selbst nur wenige Chancen zuließ. Das spielbestimmende Team stellte aber keinen Milito, keinen Cambiasso, keinen Sneijder auf. Die Helden des Tages hießen Morimoto, Rigoni und Meggiorini. Wahrlich keine größen des Weltfußballs.

Das Experiment Gasperini ist gescheitert.
Nachdem die Rating-Agentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit Italiens herabgestuft hatte, verspielte Inter Mailands Trainer Gian Piero Gasperini seinen letzten Kredit auf dem Kunstrasen von Novara. Bereits nach wenigen Minuten hätte ein Harakiri-Querpass von Chivu die Führung für den Liganeuling bedeuten müssen. Das verdiente Tor fiel dann doch noch nach einer schönen Kombination kurz vor der Halbzeitpause durch Riccardo Meggiorini. Der 26-jährige Stürmer hat den Großteil seiner Karriere in der dritten Liga verbracht, sein Erstligadebüt gab er jedoch bereits 2004. Als Nachwuchsspieler für Inter. In der zweiten Hälfte änderte sich nicht viel am Spielverlauf, bis in der 89. Minute der überforderte Nationalverteidiger Ranocchia den Japaner Morimoto vor dem Tor zu Boden riss: Rote Karte und Elfmeter, den Luca Rigoni verwandelte. Kurz darauf gelang zwar Cambiasso der Anschluss, kurz darauf war es wieder Rigoni, der im Nachschuss das endgültige 3-1 erzielte. Inter lag in Trümmern.

Aus der Übermannschaft der letzten Jahre ist im Laufe der letzten 12 Monate eine verängstigte, orientierungslose Solistentruppe geworden. Der Champions-League-Titel im Sommer 2010 war die Krönung und zugleich der Zenit eines erfolgreichen Zyklus, denn mit José Mourinhos Abgang fiel auch die Hierarchie im Team auseinander. Rafa Benitez gelang im Winter noch der Sieg im Weltpokal, ihm folgte an Weihnachten bereits der Brasilianer Leonardo, weil das Team mit dem Spanier nicht zurecht kam. Leonardo führte das Team zwar noch zur Vizemeisterschaft und zum Sieg in der Coppa Italia, doch war das Managergehalt, das ihm Paris Saint-Germain angeboten hatten, zu verlockend.

Es folgten die Vorzeichen für das, was sich nun bei pazza Inter, dem verrückten Verein, abspielt. Die Wunschkandidaten von Präsident Massimo Moratti, André Villas-Boas und Sinisa Mihajlovic, hatten keinerlei Interesse am Trainerposten. Also wurde Ex-Genoa-Coach Gasperini als dritte Wahl verpflichtet. Das Experiment wurde heute nach fünf sieglosen Pflichtspielen offiziell für beendet erklärt. Laut Moratti waren die Unstimmigkeiten zwischen Trainer und Spielern zu groß. Dass jedoch im Verein selbst einige Dinge im Argen liegen, bewies bereits die Verpflichtung Diego Forlans kurz vor Transferschluss. Der Uruguayer war für Atletico Madrid bereits im Europapokal aufgelaufen und demnach bis Januar nicht mehr in der Champions League spielberechtigt. Dies war den Funktionären bei Inter jedoch entgangen. Ein Treppenwitz.

Nun soll Claudio Ranieri die Dinge bei Inter richten. Der waschechte Römer war schon öfter als Feuerwehrmann unterwegs. Leider haftet ihm auch der Ruf des ewigen Zweiten inne. Aber bei Inter haben die Funktionäre sicher ganz genau über ihre Strategien nachgedacht.

19.09.2011

Der 3. Spieltag: De Rossi wird zum Libero 2.0

Mit dem Start des Europapokals unter der Woche geht es in den Topligen erst richtig los. Die Teams, die alle drei Tage auf den Platz gehen, werden sehen, ob ihr Kader in Qualität und Breite ausreicht, die anderen Teams wie Juventus oder Rom müssen dagegen die spielfreie Zeit optimal ausnutzen, um sich voll auf die Meisterschaft zu konzentrieren.

Mit Ruhm haben sich die italienischen Teams in Champions und Europa League wahrlich nicht bekleckert. Der AC Mailand erreichte bei der Jahrhundertmannschaft von Barça zwar ein respektables 2-2, das die Zeitungen feierten, die Art und Weise war aber recht kurios. Bereits nach 24 Sekunden brachte Pato die Führung, doch bis zur Schlussminute war das Spiel ein reiner Monolog der Gastgeber. Der Ausgleich durch Thiago Silva in der 92. Minute rettete den Mailändern einen glücklichen Punkt. Besser präsentierte sich dagegen der SSC Neapel mit dem 1-1 bei Manchester City. Mit gefälligem Konterspiel war das Team von Walter Mazzarri auf Augenhöhe mit der Millionentruppe von Roberto Mancini. Inter Mailand wiederholte die desolate Vorstellung gegen Palermo beim 0-1 gegen Trabzonspor. Die Türken waren nur durch den Ausschluss von Fenerbahce in die europäische Königsklasse gerutscht, ließen sich jedoch nicht von der Kulisse in San Siro beeindrucken.

De Rossi in Bestform bei Inter gegen Rom.
In der Serie A ging es dieses Wochenende weniger spektakulär als letzte Woche weiter. Nachdem Cagliari gegen Aufsteiger Novara 2-1 gewann, fand am Samstagabend das Spitzenspiel zwischen Inter und Rom statt. Im Vorfeld hatten die Medien das Match im Vorfeld zum Entscheidungsspiel für die bisher glücklosen Trainer der beiden Teams aufgebauscht. Das Spiel der nerazzurri lebte einzig und allein von den Ideen Wesley Sneijders, der AS Rom überraschte mit seinem sehr elastischen Spielsystem und einer geschlossenen Mannschaftsleistung. Auf dem Papier lief das Team mit einem 4-3-3 auf, dass sich bei Ballbesitz direkt zum 3-4-3 mutierte. Die laufstarken Mittelfeldspieler Taddei und Perrotta wurden zu Außenverteidigern umfunktioniert. Ein wieder erstarkter De Rossi übernahm die Schlüsselrolle. Capitan Futuro fungierte als moderner Libero zwischen Abwehr und Mittelfeld, mit 94 Ballkontakten bildete er das Herzstück des römischen Spiels. Dennoch sprangen wieder nur drei Großchancen heraus, die der Brasilianer Julio Cesar parierte. Die größte Chance für Inter hatte Sneijder in der 85. Minute, doch ein überzeugender Simon Kjaer lenkte den Flachschuss aus 10 Metern am Tor vorbei und verhinderte eine unverdiente Niederlage.

Lucios Tritt gegen Stekelenburg.
Maarten Stekelenburg konnte im Tor der Gäste kaum glänzen, weil er bereits nach 15 Minuten von Lucio beim Herauslaufen schwer am Kopf getroffen wurde und nun mehrere Wochen ausfällt. Der frühere Bundesligaspieler hatte es dem Wohlwollen des Schiedsrichters zu Verdanken, dass er nur die gelbe Karte sah. Zwar drehten die Mailänder in der zweiten Halbzeit auf, es blieb jedoch beim 0-0. Die Fans quittierten die Leistung der Gasperini-Schützlinge mit Pfiffen, eine klare Linie hat der Trainer noch lange nicht gefunden, die Römer scheinen dagegen auf einem guten Weg zu sein, am Donnerstag gegen Siena müssen die Stürmer endlich ihre Ladehemmung ablegen.

Für die meisten Akzente im Sturm der Römer sorgte der U21-Stürmer Fabio Borini, der diesen Sommer vom FC Parma kam und die letzten 4 Jahre beim FC Chelsea unter Vertrag stand. Letztes Jahr war er mit seinen Toren ein wichtiger Faktor beim Aufstieg von Swansea in die Premier League.

Neben Cagliari stehen auch Juventus, Udinese und Neapel mit voller Punktzahl an der Tabellenspitze. Die alte Dame aus Turin konnte nicht das furiose 4-1 gegen Parma nicht wiederholen, gegen ein harmloses Siena genügte ein Tor von Matri. Udinese nahm den Schwung aus der Europa League, am Donnerstag wurde Stade Rennes 2-1 geschlagen, und gewann gegen schwache Florentiner mit 2-0. Dabei erzielte  Dauerbrenner Di Natale sein viertes Tor in fünf Spielen.

Aufsteiger Atalanta hatte in der Regenschlacht von Bergamo das glücklichere Ende gegen Interbezwinger Palermo. Das Spiel war sogar 40 Minuten wegen eines heftigen Schauers unterbrochen worden. Auf den Boden der Tatsachen ist auch Lazio zurückgekehrt. Nach dem starken 2-2 beim AC Mailand, ließen Klose und Co. sowohl beim 2-2 gegen die Rumänen des FC Vaslui als auch beim 1-2 gegen den FC Genua die Führung durch die Lappen gehen. Cesena und Bologna sind bisher die einzigen Teams, die bisher keine Punkte einfahren konnten.

Den Spieltag schlossen Neapel und Milan ab. Der amtierende Meister ging früh durch einen herrlichen Flugkopfball von Aquilani in Führung, der Nationalspieler bleib auch der bei weitem beste Akteur seiner Mannschaft. Denn danach ging die große Show von Edinson Cavani los. Der Uruguayer war nicht zu halten und schoss die Gäste mit einem Dreierpack ab. Zwar hatten die ersatzgeschwächten Gäste mehr Spielanteile, doch gegen die blitzschnellen Konter hatten sie kein Gegenmittel. Bereits am Dienstagabend wird wieder gespielt, Inter hofft auf Wiedergutmachung bei Aufsteiger Novara. Am Mittwoch könnte Juve seinen Höhenflug gegen Bologna bestätigen, während der AC Mailand mit Udinese einen gefährlichen Gegner empfängt. Letztes Jahr endete das Duell mit einem spektakulären 4-4. Eine sehr gute Nachricht, die ich auch erst heute gefunden habe, liefert Sport1. Jeden Dienstag um 18 Uhr zeigt der Fernsehsender eine Zusammenfassung der Serie A.

12.09.2011

Arrivederci catenaccio? Torrekord beim Saisonstart

Bereits im Freitagsspiel zwischen Milan und Lazio standen die Zeichen auf Sturm. Dies wurde in den übrigen Partien des ersten, pardon, zweiten Spieltags bestätigt. Mit insgesamt 35 Treffern fielen so viele Tore wie seit 56 Jahren nicht mehr! Das ist mir sogar ein Ausrufezeichen wert.

Von den Titelkandidaten konnten der SSC Neapel und vor allem Juventus Turin überzeugen. Während erstere am Samstag die letzten 30 Minuten in Überzahl zum Auswärtssieg nutzen konnten, feierten die Turiner am Sonntagmittag ein perfektes Debüt im neuen Juventus Stadium. Auf dem Grundstück des unbeliebten Stadio Delle Alpi steht nun eine hochmoderne Fußballarena. Überragender Akteur war Andrea Pirlo, der seine Genialität ganz in den Dienst der Mannschaft stellte.
Torwartikone Gianluigi Buffon war voller Lobeshymnen auf seinen Nationalmannschaftskollegen und bezeichnete seine Verpflichtung auch sofort als Jahrhunderttransfer. Mit einem schönen Volleyschuss von der Strafraumgrenze gab auch der Ex-Leverkusener Arturo Vidal ein starkes Debüt. 

In den darauffolgenden Partien konnten die Aufsteiger Atalanta Bergamo und vor allem Novara auswärts punkten und direkt unter Beweis stellen, dass sie nicht als Kanonenfutter dienen werden. Mit zwei Toren für Atalanta war der gerade 1,60 große Argentinier Maxi Moralez, der von Velez Sarsfield kam, eine der Überraschungen des Spieltages. Einen ähnlich guten Einstand hatte Gabriel Torje für Udinese. Der "Messi Rumäniens" könnte den zu Barça abgewanderten Alexis Sanchez schnell vergessen machen, während der Torschützenkönig der letzten beiden Saisons, Antonio Di Natale dort weiter macht, wo er letzte Saison aufgehört hatte. Bei insgesamt 35 Toren durfte die Partie Catania gegen Siena eine Ausnahme bilden, um ein wenig den Ruf des italienischen Mauerfußballs zu retten.

Tottis Römer warten immer noch auf einen Sieg.
Für die größten Überraschungen - im negativen Sinne - sorgten der AS Rom und Inter Mailand. Die Hauptstädter konnten ihrer Favoritenrolle gegen Cagliari nicht gerecht werden und spielten so, wie man es bereits aus dem kurzen Zwischenspiel im Europapokal kannte. Ständiger Ballbesitz, der einfach nicht in Tore umgemünzt wurde. Cagliari war drei Mal gefährlich vor dem Tor von Stekelenburg: Kurz vor der Pause traf Biondini die Latte, in der 60. Minute nahm Daniele Conti, Sohn der römischen Legende Bruno Conti, eine zu kurze Kopfballabwehr dankend an, in der 94. Minute schloss El Kabir einen Konter erfolgreich ab, kurz darauf blieb De Rossi nach einem abgewehrten Tottifreistoß noch Zeit für den Ehrentreffer. Aus La Magica, wie die Fans den AS nennen, wird allmählich La Tragica. Der tragische Mann auf dem Platz war bis zum 1-0 der Gäste der spanische Linksverteidiger José Angel. Unermüdlich stieß der Ex-Spieler von Gijon nach vorne, bis ihm der Abwehrfehler zu Contis Tor unterlief. Keine 60 Sekunden später flog der Spanier vom Platz. Trotz der vielen Neuzugänge setzt die Mannschaft zwar die neue Spielphilosophie akzeptabel um, der letzte Pass kommt jedoch entweder nicht an oder wird von den Stürmern nicht verwertet. Rom wirkt bisher wie eine aufreizende Frau in der Disko, die einem schöne Augen macht, aber dann eiskalt abblitzen lässt.

Für den großen Abschluss des Spieltags sorgten Palermo und Inter. Nach dem frühen Aus in der Europa-League-Qualifikation hatte der cholerische Palermo-Boss Maurizio Zamparini den neuen Trainer Stefano Pioli direkt geschasst, viele Leistungsträger, vor allem Javier Pastore, haben Sizilien verlassen, alles deutete also auf einen klaren Sieg der Mailänder hin. Von Beginn an überraschten die rosaneri jedoch mit ihren Sturmläufen, bevor Diego Milito mit dem 1-0 doch der Favoritenrolle der Gäste gerecht werden konnte. In der zweiten Halbzeit nahm das Spiel einen spektakulären Verlauf. Nach zwei Minuten konnte Fabrizio Miccoli für den Ausgleich sorgen, kurz darauf traf Milito per Elfmeter zur erneuten Führung für Inter. Miccoli war jedoch am gestrigen Abend nicht aufzuhalten, bereitete fast im Gegenzug den Ausgleich durch Abel Hernandez vor. Minuten vor Schluss dann die Entscheidung, als Miccoli mit einem fantastischen Freistoß Julio Cesar überwinden konnte und Mauricio Pinilla mit einem Kunstschuss alles klar machte. Diego Forlans in der Nachspielzeit war nur noch Ergebniskosmetik. Inters Trainer Gasperini steht jetzt bereits unter großem Druck und muss im nächsten Monat in der Champions League und in der Liga Siege einfahren, um seinen Posten nicht zu verlieren. In Rom werden in dieser Saison des Umbruchs kleinere Brötchen gebacken. Meiner Meinung nach hat Luis Enrique wenigstens Zeit bis Weihnachten...

10.09.2011

Auch Schampus vom Discounter kann schmecken

Am Freitagabend um 20:45 Uhr wurde die Serie A mit einem Spieltag Verspätung endlich eröffnet. Um den Geldkuchen der TV-Sender noch weiter aufzublähen, wird seit der letzten Saison der Spieltag weiter zerhackt, so dass Titelverteidiger Milan, der ja für die Champions League ausgeruht sein muss, gegen Lazio im heimischen Giuseppe-Meazza-Stadion den Startschuss geben durfte. Wie es um die Liga steht, beweist wie so oft die Zuschauerzahl. Gerade mal 48.543 Fans fanden in die "Scala des Fußballs", wobei knapp 30.000 Dauerkartenbesitzer dazu gehörten.

Bei einem Fassungsvermögen von 80.018 Plätzen ist dies für das Saisoneröffnungsspiel gegen eines der Topteams ernüchternd im internationalen Vergleich, dennoch recht positiv für die italienische Liga. Nicht umsonst versuchen Teams wie der AS Rom, die seit einem Jahr geltende und mehr schlecht als recht umgesetzte Pflicht zur tessera del tifoso, der vom Innenminister Maroni konzipierten "Fankarte", mit innovativen Kartenpaketen zu umgehen. Denn ohne die Karte dürfen sowohl Dauerkarten als auch Auswärtstickets über den Verein nicht mehr vergeben werden.

Klose mit einem Traumstart in Italien.
Doch kommen wir zum Spiel selbst, denn was in den ersten 90 Minuten zu sehen war, hat bewiesen, dass die Serie A nicht nur von dröger Taktik lebt. Von Beginn an versuchte Lazio, mit schnellem Flügelspiel das Mittelfeld zu überbrücken und überrumpelte so die statische Milanabwehr. Vor allem kam der von Panathinaikos verpflichtete Djibril Cissé, das einistige Enfant terrible vom FC Liverpool, über die linke Außenbahn zu einigen guten Aktionen. Das Führungstor schoss jedoch ein alter Bekannter aus der Bundesliga: Miroslav Klose erhielt von Lazios Spielantreiber Stefano Mauri den Ball in den Strafraum, düpierte Alessandro Nesta und netzte mit links bereits in der 12. Minute ein. Keine 10 Minuten später war es wieder Mauri, der ähnlich dem 1-0 einen scharfen Ball von rechts in den Strafraum spielte. Die Flanke kam punktgenau zu Cissé, gegen dessen Kopfball hatte Abbiati keine Chance.



Welt verkehrt also nach 21 Minuten, die Sparfüchse aus Rom führten bei der Millionentruppe aus Mailand mit 2-0, doch deren Gegenschlag ließ nicht lange auf sich warten. In der 29. Minute griff die Abseitsfalle der Gäste nicht, Cassano kam an den Ball und schob ihn in den 5 Meterraum, wo Ibrahimovic nur noch ins leere Tor einschieben musste. Vier Minuten später stand wieder der italienische Stürmer im Mittelpunkt, als er einen Eckball von Aquilani per Kopf im langen Eck platzieren konnte. So ging es mit 2-2 in die Halbzeit. Nach dem Wiederanpfiff erhöhten die rossoneri die Schlagzahl, ohne jedoch die vielen Chancen in ein Tor ummünzen zu können. Wieder war es Cassano, der am nächsten dran war, als er in der 63. Minute nur den Pfosten traf. Kurz darauf rettete auf der Gegenseite Nesta vor Cissé, der bereits den Torwart überlupft hatte.

Neuanfang für AdrianMutu beim AC Cesena.
Alles in allem ein sehr munterer Beginn, bei dem das Unentschieden in Ordnung geht und auf eine spannende Saison hoffen lässt. Heute Abend empfängt Cesena den SSC Neapel, wobei die kleine Mannschaft aus der Romagna bereits letztes Jahr für die ein oder andere Überraschung sorgen konnte. Das Team konnte sich auch entscheidend verstärken, mit Spielern wie Candreva, Martinez und allen voran Adrian Mutu. Der einstige Topstürmer, der abseits des Platzes mit einer Kokainsperre beim FC Chelsea und einer Prügelei mit einem Kellner in Florenz von sich reden ließ, wagt in der Provinz einen Neuanfang. Gegen den potentiellen Titelkandidaten aus Neapel wird all sein Talent vonnöten sein.

07.09.2011

The race is on

Nun da der Transfermarkt seit gestern offiziell beendet ist, stelle ich in relativ knapper Weise meine Einschätzungen für die diesjährige Serie A vor. Der diesjährige Transfersommer war, wie bereits im Vorfeld angedeutet, der Beweis dafür, dass die italienische Liga an Stellenwert verliert. Die drei teuersten Transfers betrafen Eto'o, Sanchez (jeweils 26 Mio. Euro) und Pastore (43 Mio. Euro), die alle ins Ausland gingen. Erst an vierter Stelle folgt ein Wechsel in die Serie A. Der AC Mailand zog für 24 Mio. Euro die Kaufoption an Zlatan Ibrahimovic, nachdem der schwedische Titelgarant letztes Jahr für 6 Mio. Euro vom FC Barcelona ausgeliehen worden war. 
Zwar steht die Serie A in Europa alles andere als gut da, Udinese schaffte die CL-Qualifikation gegen Arsenal nicht, der AS Rom und Palermo gelang das "Kunststück", in den Europa-League-Vorrunden auszuscheiden. Dennoch hat die italienische Liga nach der Premier League das meiste Geld in Spielerkäufe investiert und sogar die meisten Transfereinnahmen im europäischen Vergleich erzielt. Das Titelrennen ist so offen wie schon lange nicht mehr.

Die Titelkandidaten
Ob Aquilani in Mailand endlich Fuß fassen kann?
AC Mailand - Der Titelverteidiger setzt zu Recht auf die Mannschaft vom letzten Jahr. So wurden neben "Ibra" auch die Kaufoptionen für Kevin-Prince Boateng und Ersatztorwart Marco Amelia (beide FC Genua) gezogen, die Abwehr wurde mit den ablösefreien Philippe Mexès (AS Rom) und Taye Taiwo (O. Marseille) verstärkt. Der 19-jährige offensive Mittelfeldmann Stephan El Shaarawy (10 Mio., FC Genua), gehört zu den größten italienischen Talenten. Für den verletzten Mathieu Flamini wurde kurz vor Transferschluss der Mittelfeldmotor Antonio Nocerino von Palermo verpflichtet. Alberto Aquilani soll indes die Nachfolge von Andrea Pirlo (ablösefrei zu Juve) antreten. Einschätzung: Der AC Mailand bleibt dank einer eingespielten Mannschaft und einer klugen Transferpolitik Titelkandidat Nummer eins.
Mögliche Aufstellung (4-3-1-2): Abbiati; Abate, Nesta, Thiago Silva, Taiwo; Nocerino/Gattuso, Van Bommel, Aquilani/Ambrosini; Boateng; Pato, Ibrahimovic.
Diego Forlan ist bei Inter gelandet.   
Inter Mailand - Der Stadtrivale von Milan hat mit Eto'o seinen Star gen Russland ziehen lassen, die Transferpolitik der nerazzurri hat bei vielen für Stirnrunzeln gesorgt. Zwar wurde noch Diego Forlan von Atletico Madrid losgeeist, jedoch fiel den Verantwortlichen nicht auf, dass der frischgebackene Südamerikameister bis Januar in der Champions League nicht spielberechtigt ist. Für Wirbel soll der Argentinier Mauro Zarate sorgen, bei Lazio gelang ihm dies meistens im negativen Sinne. Wird der neue Coach Gasperini die Mannschaft nach den Titeln der letzten Jahre neu motivieren können? 
Einschätzung: Die Qualität zum Titelaspiranten ist vorhanden, aber zu viele Fragezeichen, beim Trainer angefangen, könnten für Startschwierigeiten sorgen. 
Mögliche Aufstellung (3-4-1-2): Julio Cesár; Ranocchia, Lucio, Samuel; Maicon, Zanetti, Cambiasso/Alvarez; Nagatomo; Sneijder; Forlan/Pazzini; Milito/Zarate.

De Laurentiis stellt Inler vor. Auf seine Art.
SSC Neapel - Die Mannschaft vom Vesuv war die große Überraschung im Vorjahr dank eines überragenden Edinson Cavani mit 26 Treffern. Walter Mazzarri setzte auf punktuelle Verstärkungen. Miguel Britos (Bologna) für die Abwehr, Gökhan Inler (Udinese) im Mittelfeld und Goran Pandev (Inter) unterstreichen die Ansprüche des Teams, wieder im Titelrennen einzugreifen und auch bei der Champions-League-Premiere eine gute Figur abzugeben. 
Einschätzung: Die Mannschaft hat das Potential, um oben mitzuspielen, vor allem, wenn die Neuankömmlinge einschlagen.
Mögliche Aufstellung (3-4-2-1):  De Sanctis; Campagnaro/Britos, P.Cannavaro; Aronica; Maggio, Inler, Dzemaili, Dossena; Hamsik, Lavezzi/Pandev; Cavani.

Vucinic im geschmackvollen Auswärtsdress.
Juventus Turin - Der enttäuschende 7. Platz hat für zum zweiten Jahr in Folge für eine halbe Revolution beim Rekordmeister gesorgt. Ohne Europapokal setzt der Verein alles auf die heimische Liga. Um die Wünsche des neuen Trainers zu befriedigen, wurden Spieler wie Arturo Vidal (Leverkusen), Elijero Elia (HSV) und Mirko Vucinic (AS Rom) unter Vertrag genommen, doch die wichtigste Neuerung stellt sicherlich die Verpflichtung von Andrea Pirlo dar. Zudem ist  Juve-Urgestein Conte ein Risikofaktor in doppelter Hinsicht. Letztes Jahr hat er mit Siena die Serie B gewonnen, was der einzige Erfolg in seiner noch jungen Trainerkarriere darstellt. Zudem setzt er auf ein angriffslustiges 4-2-4-System, was im italienischen Fußball gerne nach hinten losgehen kann. Einschätzung: Viel wurde investiert, ohne dass ein absoluter Topspieler verpflichtet wurde. Wenn die Ideen des Trainers zünden, sollte das umgestaltete Team den Sprung nach Europa schaffen. Ein Platz unter den ersten drei wäre aber bereits eine Überraschung.
Mögliche Aufstellung (4-2-4): Buffon; Lichtsteiner, Bonucci/Barzagli, Chiellini, De Ceglie/Grosso; Marchisio/Vidal, Pirlo; Krasic, Matri/Quagliarella, Vucinic/Del Piero, Elia
    Bojan kam vom FC Barcelona.
    AS Rom - Mein geliebtes Rom, oh Du mein geliebtes Rom. Nach dem Chaos der Vorsaison machte die Übernahme des Vereins durch US-Investoren Hoffnung auf einen Neuanfang. Eine wahre Revolution ging vonstatten. Luis Enrique, nach drei erfolgreichen Jahren als Trainer von Barças B-Elf, kam aus Spanien wie einst Kaiser Trajan, um die Geschicke Roms zu lenken. Nach längeren Verhandlungen, die von der Vereinsübernahme abhingen, stieg der AS zur Transferkönigin auf. Maarten Stekelenburg (Ajax), Gabriel Heinze (Marseille), Bojan Krkic (Barcelona), Simon Kjaer (Wolfsburg), Miralem Pjanic (Lyon), Daniel Osvaldo (Espanyol) und Fernando Gago (Real Madrid) stehen für eine Qualitätsoffensive sondergleichen. Erik Lamela (River Plate), der teuerste Neuzugang, ist eines der größten Talente im Weltfußball. Die starke Verjüngung des Teams hat in der kurzen Zeit keine Früchte getragen, Rom war nicht nur in der Vorbereitung Fallobst, auch die Europa-League-Qualifikation ging daneben. Noch gefährlicher sind zwei Nebenkriegsschauplätze, die zur Zeit die Medien dominieren. Totti ist nicht mehr unantastbar, was zu verstehen wäre, wenn er denn nicht weiterhin seine Leistung abrufen würde. Außerdem gestalten sich die Vertragsverhandlungen mit seinem designierten Nachfolger De Rossi (Vertragsende 2012) schwieriger als angenommen.  
    Einschätzung: Rom ist die Wundertüte der Liga. Sollte das neue Projekt einschlagen, erwartet die Fans ein Offensivfeuerwerk, das um die Champions-League-Plätze mitspielen kann. Der Trainer braucht jedoch das Vertrauen des Teams und Fingerspitzengefühl, sonst wird Rom zum Pulverfass.
    Mögliche Aufstellung (4-3-3): Stekelenburg; Cassetti/Cicinho; Burdisso, Kjaer/Juan, José Angel; De Rossi, Gago/Pizarro, Pjanic/Perrotta; Osvaldo/Lamela, Totti; Bojan.
    Cissé und Klose bilden den neuen Lazio-Sturm.
    Lazio Rom - Der zweite Hauptstadtklub versucht mit altbewährten Spielern seine gute Vorsaison zu bestätigen. Miroslav Klose (Bayern München) und Djibril Cissé (Panathinaikos) konnten bereits im Europapokal überzeugen, zudem wurde der talentierte, aber für seine Aussetzer berüchtigte Torwart Muslera (zu Galatasaray) durch Marchetti (Cagliari) ersetzt. Eine intelligente Transferpolitik, die das pragmatische Spiel von Edy Reja gut ergänzt. 
    Einschätzung: Die biancazzurri könnten ziemlich überraschen. Wenn das solide Mannschaftsspiel vom letzten Jahrfunktioniert, kann das Team sogar mit Chancen auf Rang drei und somit die Champions League rechnen.
    Mögliche Aufstellung (4-4-2/4-2-3-1): Marchetti; Konko/Scaloni, Biava, Dias, Radu;Brocchi/Matuzalem, Ledesma, Hernanes, Mauri; Cissé, Klose/Rocchi

    31.08.2011

    Fußballtheater in Italien, gefährlicher Flamenco in Rom

    Damiano Tommasi
    Überraschungen können ja allerlei Emotionen verursachen. Freude, Trauer oder auch einfach ratloses Erstaunen. Mit einigen größeren, aber auch wichtigen kleineren Überraschungen warteten die letzten Tage auf. Beginnen wir doch mit dem im vorherigen Eintrag erwähnten Streik der Serie A. Der erste Spieltag fiel aus wie dann doch zu erwarten war. Die Vereine willigten dem neuen Kollektivvertrag für die Lizenzspieler nicht zu. Die Spielergewerkschaft mit dem früheren Idol des AS Rom Damiano Tommasi als Präsidenten forderte, dass aussortierte Spieler dennoch mit der ersten Mannschaft ihres Vereins trainieren dürfen und das kein Spieler gegen seinen Willen an einen anderen Verein verkauft werden darf, was die Vereine natürlich durchsetzen möchten, um die Kosten zu senken.

    Am Schluss blieb der Ligarat hart und versuchte die Schuld für den Spielausfall den Spielern in die Schuhe zu schieben. Als Vorwand wurde die kolportierte Reichensteuer genannt. Die überbezahlten Spieler würden laut Liga versuchen, die Steuer auf die Klubs abzuwälzen. In der Zwischenzeit hatte die Regierung ihr Sparpaket nach heftigen Protesten geändert, so dass die geplante Steuer gar nicht zum Tragen kommen wird. Selbige Regierung wird sich nun mit dem Fußballverband, der Liga und der Spielergewerkschaft mit dem Thema Serie A auseinandersetzen. Als ob die italienische Politik keine wichtigeren Dinge zu behandeln hätte... Nach der Länderspielpause, in der Italien gegen die Fär Öer und Slowenien die EM-Qualifikation sichern müsste, wird die Serie A mit dem 2. Spieltag beginnen, die Spieler hatten ein Einsehen, in der Hoffnung, dass es auch außerhalb des Platzes zu einer Einigung kommen wird.

    Das Stadio Olimpico in Rom
    Wirklich erstaunlich war das, was sich letzte Woche in der Europa-League-Qualifikation in Rom abspielte. Nach dem 0-1 bei Slovan Bratislava dachte man, die Roma würde das Rückspiel locker für sich entschieden. Totti durfte auch von Beginn an ran und strafte seinen Trainer Lügen, indem er bei weitem bester Mann auf dem Platz war und auch via Eckstoß das frühe 1-0 durch Perrotta vorbereitet hatte. Nach ca. einer Stunde hatte jedoch die haushohe Überlegenheit der giallorossi immer noch nicht zum zweiten Treffer geführt, allmählich schwanden die Kräfte. Für den negativen Höhepunkt sorgte dann Luis Enrique, der in der 70. Minute seinen Mannschaftskapitän auswechselte, was von den 50.000 im Stadio Olimpico mit Pfiffen gegen den Trainer und Sprechchören für Il Capitano quittiert wurde. Die Mannschaft verlor nicht nur seine Führungsfigur, auch die Müdigkeit machte sich bei den verbliebenen Spielern bemerkbar, was zehn Minuten vor Spielende von den Gästen aus der Slowakei eiskalt zum Ausgleich genutzt wurde.

    Totti ist in Rom mehr als nur ein Spieler
    Tottis Auswechslung sorgte auch bei De Rossi und den anderen Spielern, die verletzt oder gesperrt auf der Tribüne saßen, für fassungslose Gesichter. Luis Enrique setzte in der Pressekonferenz auch noch einen drauf, denn das Spiel hätte auch mit Totti nicht unbedingt gewonnen werden müssen. Zwar mag Luis Enrique auf einem guten Weg zu sein, der Mannschaft ein ansehnliches Offensivspiel zu verpassen. Nach dem peinlichen Europapokal-Aus wurden jedoch seine großen Schwächen offenbart. Der Spanier ist auch ein großer Dickkopf, der stur am ultraoffensiven und kräftezehrenden 4-3-3 festhielt und immer wieder betonen muss, dass jeder Spieler gleich behandelt wird. In Rom ist Totti primus inter pares, erster unter gleichen. Nicht nur wegen seiner Beliebtheit, sondern schlicht und einfach, weil er mit seinen Fähigkeiten und seinem Charisma auf dem Platz unersetzlich für den AS Rom bleibt. Doch das wird Enrique auch noch lernen müssen, sonst wird gibt es keinen Flamenco auf der Spanischen Treppe, sondern bloß einen heißen Eiertanz.

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    24.08.2011

    From Russia with love - Der Rubel rollt, der Ball bleibt liegen

    Machatschkala, Hauptstadt von Dagestan
    Die wenigen Stars der Serie A, die noch nicht im Rentenalter angelangt sind, zieht es dorthin, wo heute das große Geld liegt. Alexis Sánchez nach Barcelona, Javier Pastore nach Paris, Domenico Criscito nach St. Petersburg und zu guter Letzt wird nun Samuel Eto'o bei Anzhi Machatschkala auf Torejagd gehen und dort sage und schreibe 80 Mio. Euro netto in 4 Jahren kassieren. Der Verein liegt nicht, wie der ein oder andere vermuten könnte, in Latveria, wo Doctor Doom das Sagen hat, sondern in der russischen Teilrepublik Dagestan. Wo die Liebe eben hinfällt.


    Dass einiges im Argen liegt, beweist auch das Kräfteringen zwischen der Serie A und der Spielergewerkschaft, der seit wenigen Wochen der einstige römische Publikumsliebling Damiano Tommasi vorsteht. Die Spieler haben einen Streik für den an diesem Wochenende geplanten Saisonstart angekündigt, wenn ihren Forderungen nicht nachgekommen wird. In Spanien fielen bereits die ersten beiden Spieltage aus, weil der Spielerverband auf die Nachzahlung ausstehender Gehälter pocht.

    Borriello und Totti im Training
    Beim AS Rom dagegen ist die Stimmung nach einer gut gestarteten Vorbereitung, einigen guten Transfers schnell wieder in den Keller und somit auf dem Niveau der letzten Saison. Das Hinspiel in der Europa-League-Qualifikation bei Slovan Bratislava ging mit 0-1 verloren, trotz 64-prozentigem Ballbesitz und einem Pfostentreffer. Für große Verwirrung sorgte vor allem Neutrainer Luis Enrique, der sowohl Totti als auch Borriello erst zwanzig Minuten vor Schluss beim Stande von 0-0 einwechselte. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, wurde Borriello, letzte Saison noch vom AC Mailand ausgeliehen und im Sommer für 10 Mio. Euro fest verpflichtet, auf den Transfermarkt gesetzt, obwohl er einer der positivsten Spieler während der Vorbereitung gewesen war.

    Die neue Vereinsführung unter Thomas DiBenedetto, die erst letzte Woche den Kaufvertrag unterzeichnet hat, muss nun mehrere Brände löschen. Tottis Rolle als Galionsfigur wird nun offenbar auch vom Trainer in Frage gestellt, De Rossis Vertragsverhandlungen ziehen sich in die Länge, vor allem jedoch fehlen noch drei bis vier Neuzugänge, um den Kader zu komplettieren. Der Transfer des Dänen Kjaer aus Wolfsburg, der die guten Leistungen in Palermo in der Bundesliga nicht abrufen konnte, wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Verpflichtung des italo-argentinischen Stürmers Osvaldo sorgt dagegen für wenig Begeisterung unter den Fans.

    Piazza Sempione, Herzstück des Viertels Montesacro
    Gerade das Mittelfeld stellt noch viele Fragezeichen auf, doch bisher gab es fast nur Absagen. Sowohl der frischgebackene U20-Weltmeister Casemiro wird weiter für den FC Sao Paolo auflaufen, während Alberto Aquilani, der beim FC Liverpool keine Rolle spielt, nicht zurückkehren wird. Der gebürtige Römer - unsere beiden Väter drückten im Stadtteil Montesacro zusammen die Schulbank - wird zum AC Mailand wechseln, weil der AS Rom nur an einem Leihgeschäft interessiert war.

    Alles in allem steht dem italienischen Fußball wieder eine spannende Saison bevor, wobei es jedoch vor allem außerhalb des Platzes heiß hergeht. Der aktuelle Fußballskandal lässt immer noch viele Fragen offen, wohl waren vor allem einzelne Profis und ehemalige Spieler aus unteren Ligen involviert, jedoch handelten die zuständigen Institutionen äußerst schnell. Serie-A-Aufsteiger Atalanta Bergamo startet mit 6 Minuspunkten in die Saison, mehrere Spieler wurden aus dem Verkehr gezogen.

    07.08.2011

    Der AC Mailand ist Berlusconis Piratenpartei

    Gestern wurde die neue Fußballsaison in Italien gestartet. In Peking... Einigen Marketingstrategen sei dank.* Milan als Meister traf im Nationalstadion, dem von den Olympischen Spielen 2008 berühmten "Vogelnest", auf den Pokalsieger Inter im Spiel um die italienische Supercoppa. Dabei hatten die rossoneri wie auch in der letztjährigen Serie A die Nase vorn und drehten die Partie in der zweiten Hälfte mit den Toren von Ibrahimovic und Kevin-Prince Boateng, nachdem Wesley Sneijder mit einem herrlichen Freistoß Inter noch die verdiente Pausenführung gesichert hatte.

    Inters Neuzugang Ricardo Álvarez in der Milanzange.
    Alles in allem handelte es sich um ein ansehnliches Spiel, in dem Inter unter seinem neuen Trainer Gasperini gefällige Kombinationen zeige, wobei der argentinische Neueinkauf Ricky Álvarez positiv auffiel. Noch vor wenigen Monaten war der 23-jährige Mittelfeldspieler den wenigsten bekannt, als der "argentinische Kakà" plötzlich bei mehreren europäischen Klubs in den Fokus rückte. Mit einer regelrechten Blitzaktion sicherten sich die Weltpokalsieger seine Dienste.

    Álvarez war auch die einzige Neuverpflichtung auf beiden Seiten, die das Spielfeld betrat. Bei Milan fehlten die ablösefrei verpflichteten Abwehrspieler Mexès und Taiwo sowie das italienische Offensivtalent El Shaarawy, während Inter noch auf den brasilianischen Rechtsverteidiger Jonathan verzichtete. Ebendieser Jonathan könnte Maicon ersetzen, den Inter in einem Tauschgeschäft für Carlos Tevez an Manchester City abgeben könnte. Ebenso Richtung Manchester könnte vor Transferschluss Ende August auch Wesley Sneijder verkauft werden, auch wenn der niederländische Ausnahmekönner kaum zu ersetzen wäre. Es könnten also weiter Topstars aus der Serie A abwandern.

    Robinho, Gattuso und Ibrahimovic mit dem Supercup.
    Dass die Mailänder Topvereine der europäischen Konkurrenz hinterherhinken, ist selbst Milanboss Adriano Galliani aufgefallen. Aus dem Luxusrestaurant Serie A sei eine Pizzeria geworden. Es wirkt jedoch absurd, dass Galliani nun harte Strafen für den aktuellen Wettskandal fordert, wo doch sein eigener Verein im großen Skandal 2006 mit einem blauen Auge davongekommen war. Dass der AC Mailand wieder so erfolgreich ist, wird von Berlusconikritikern derweil begrüßt. Denn wenn es beim Fußballclub, der immer noch dem Ministerpräsident gehört, rund läuft, sieht es für den skandalumwitterten Politiker alles andere als gut aus. Da wirkt das Team mit Fußballpiraten wie Ibrahimovic und Gattuso wie ein schlechtes Omen.

    * Nicht zum ersten Mal fand der italienische Supercup im Ausland statt. Bereits 1993 im Jahr vor der US-WM, spielte Milan gegen den AC Turn (1-0) in Washington. Es folgten Juventus-Parma (2-1) in Tripolis, Libyen, Juventus-Milan (5-3 n.E.) im Stadion der New York Giants und Lazio-Inter (2-1), das bereits im Nationalstadion von Peking ausgetragen wurde. Dieses Jahr kassierten Milan und Inter jeweils 3 Mio. Euro plus Bonuszahlungen und Merchandise-Einnahmen. Die chinesische Firma für Sportevents United Vansen International hat 10 Mio. Euro an die italienische Fußball-Liga gezahlt, um für drei Jahre das Großereignis auszurichten. Die italienischen Reiseveranstalter gingen dabei leer aus: Die Reisepakete im Wert von 1500-1700 Euro, ohne die Eintrittskarten, fanden keinen Absatz...

    24.07.2011

    ¡Viva la (r)evolución!

    Das Jahr eins nach Sensi ist angebrochen. Von 1993 bis Juni 2011 war die Unternehmerfamilie an der Spitze des AS Rom, doch die milionenschweren Schulden trieben Präsidentin Rosella Sensi dazu, den Verein zu verkaufen. Es war die erfolgreichste Ära des Hauptstadtvereins, mit einem Serie-A-Titel 2001, 6 Vizemeisterschaften und 2 Siegen in der Coppa Italia.

    Die US-amerikanische Investorengruppe um Thomas DiBenedetto, der in den nächsten Wochen offiziell als Präsident vorgestellt wird, hat für eine regelrechte Revolution gesorgt. Die wichtigsten neuen Akteure sind:
    1. Walter Sabatini. Als erfahrener sportlicher Direktor mit einem guten Riecher für Talente soll er den Kader verjüngen und auf ein internationales Niveau hieven.
    2. Franco Baldini, der bereits von 1999 bis 2005 als Vereinsfunktionär in Rom tätig war. Bis Oktober ist er noch als Sportdirektor beim englischen Nationalteam unter Vertrag, er soll die Vereinsstrukturen modernisieren. Eine persönliche Herausforderung für den Visionär, der früher schon mit der Mentalität im italienischen Fußball aneckte.
    3. Luis Enrique in der Rolle des Cheftrainers. Nach drei Jahren als Trainer der zweiten Mannschaft des FC Barcelona soll der 41-jährige Spanier für frischen Wind in der Serie A sorgen und das Erfolgsmodell von Barça nach Rom exportieren.
    Frischer Wind in Rom: DiBenedetto und Luis Enrique
    Bereits in den ersten Tagen gab es viele Zweifel von außen, ob das Experiment mit ausländischen Investoren überhaupt funktionieren könnte. Nach einigen Problemen bei der Vereinsübernahme und den langwierigen Verhandlungen mit einigen Spielern, schien die Skepsis berechtigt. Nach der ersten Woche im Trainingslager in Südtirol nimmt der neue AS Rom jedoch langsam Form an. Die Spieler sprechen begeistert über ihren neuen Trainer, der mit seiner kollegialen Art und innovativen Trainingsmethoden sowohl langjährige Ikonen wie Totti und De Rossi als auch junge Hoffnungsträger zu motivieren weiß.

    Maarten Stekelenburg
    Ob die Transfers einschlagen werden, bleibt abzusehen, jedoch handelt es sich um viel versprechende Talente und zwei erfahrenen Kräften, die die Abwehr verstärken sollen. Noch nicht offiziell, aber nur noch eine Frage der Zeit, ist die Verpflichtung des niederländischen Torwarts Maarten Stekelenburg. Der 28-jährige Ajax-Kapitän wäre der solide Schlußmann, der seit Jahren gefehlt hat. Der 33-jährige Argentinier Gabriel Heinze kam ablösefrei von Marseille und soll mit seiner Routine die Innenverteidigung stabilisieren. Dazu kommen der Spanier José Angel und der Franzose Loïc Nego für die Außenverteidigung. Beides junge Kräfte, die für die Jugendauswahlen ihrer Länder aktiv sind. Die teuersten Einkäufe stellen der argentinische Spielmacher Erik Lamela und das Barça-Talent Bojan Krkić dar. Während das südamerikanische Talent erst mal seine Fähigkeiten auf europäischer Bühne beweisen muss, brennt der spanische Stürmer darauf, bei seinem neuen Verein aus dem Schatten von Messi, Villa und Pedro zu treten.

    Wenn die Mischung aus erfahrenen Spielern wie Totti, De Rossi und Perrotta, den Neuankömmlingen und den Eigengewächsen wie Crescenzi, Verre und Caprari einschlagen sollte, könnte der AS Rom wirklich für eine Revolution im festgefahrenen calcio sorgen. Das Risiko, mit seiner ultra-offensiven Ausrichtung sang- und klanglos unterzugehen, ist sehr hoch, doch wie bereits die Römer der antiken sagten: "fortuna iuvat audacem". Das Glück hilft den Wagemutigen.

    21.04.2011

    Des Kaisers neue Kleider

    In den letzten Wochen hat sich in Italien Einiges getan. Im Rennen um die Meisterschaft hat der AC Mailand nun große Chancen, nach 7 Jahren wieder den scudetto zu feiern. Weder Serienmeister Inter noch Neapel konnten die leichte Schwächephase der rossoneri nicht nutzen. Dem noch recht junge Massimiliano Allegri, in seiner dritten Saison als Erstligatrainer, ist es im Laufe der Saison gelungen, aus einer stark von Ibrahimovics Leistungen abhängigen Gruppe eine homogene Gemeinschaft zu bilden, in der gerade im Endspurt sowohl alte Haudegen wie Seedorf als auch der Jungstar Pato, vielleicht durch die junge Liebesgeschichte mit Berlusconis Tochter Barbara beflügelt, auftrumpfen.

    Äußerst turbulent ging es bei meinem geliebten AS Rom zu, sowohl in sportlicher Hinsicht als auch auf Vereinsebene. Nach dem Trainerwechsel von Ranieri zu Montella schien das Team beflügelt. Die Rückkehr zum altbewährten 4-2-3-1-System, mit Totti als verkappter Spitze, hatte wieder Hoffnungen auf die Champions-League-Qualifikation geschürt. Der Kapitän ist nun mit 8 Toren in den letzten 6 Spielen nur noch einen Treffer von Roberto Baggios 205 Serie-A-Treffern und somit Platz 5 in der ewigen Torjägerliste entfernt. Doch nach 2 verlorenen Heimspielen gegen Juventus und Palermo sind die giallorossi 5 Spiele vor Saisonende 7 Punkte hinter dem vom Lokalrivalen Lazio Rom belegten 4. Platz.

    Die wichtigste Neuigkeit betrifft jedoch die Vereinsführung. Am 15. April wurde nach einem langen Tauziehen Thomas DiBenedetto, über den im Vorfeld berichtet wurde, neuer Hauptanteilseigner. Dies hat aber nicht für die erhoffte Ruhe innerhalb des Vereins gesorgt. Im Hintergrund arbeiten bereits die erfahrenen Manager Franco Baldini und Walter Sabatini auf Hochtouren an der Neustrukturierung des sportlichen Sektors. Für viele der Spieler ist die Zukunft ungewiss, was sich auch auf deren Leistung niederschlägt. Sogar über einen Abgang von capitan futuro, Daniele De Rossi, wird gemunkelt.

    Der Unmut der Fans über die verkorkste Saison beschränkt sich nunmehr nicht nur noch auf gellende Pfiffe im Stadion. Heute Abend wurde das Auto des phlegmatischen Talents Jérémy Ménez beschädigt. Der Franzose ist eines von vielen Beispielen, wie das Team sein volles Potential nicht abruft. Unwiderstehliche Tempodribblings gehören ebenso zu seinem Repertoire wie seine Launenhaftigkeit auf dem Spielfeld und die Vielzahl seiner vergebener Torchancen.

    Der AS Rom wird sich in der kommenden Saison also mit einem neuen Gewand präsentieren. DiBenedetto ist keine Garantie für sofortigen Erfolg, zahlreiche Schulden und strukturelle Probleme muss der US-Amerikaner zuerst bewältigen, geschweige denn seine neuartigen Ideen im italienischen Fußball und einer anspruchsvollen sowie komplizierten Stadt durchsetzen. Vollkommen unsicher ist jedoch, ob das neue Gewand an die ruhmreiche Kaiserzeit Roms erinnern kann... oder ob der Verein fast nackt da stehen wird wie es zurzeit der Fall ist und wie das bekannte Märchen es uns lehrt.

    14.03.2011

    Die Iden des März

    Die Derbies rund um die Iden des März haben einen ganz besonderen Glanz. So war es am 10. März 2002. Rom als amtierender Meister fertigte Lazio mit einem 5-1 ab, in dem der heutige Trainer Montella mit vier Treffern in die Geschichte des römischen Lokalduells einging. Totti setzte damals mit einem herrlichen Heber den Schlusspunkt und zeigte seiner heutigen Frau, die er damals erst kennengelernt hatte seine Liebe, indem er ein Shirt mit der Aufschrift "Du bist einzigartig" zum Vorschein brachte.

     

    Fast auf den Tag genau neun Jahre später setzte Totti noch einen drauf. Mit seinen zwei Treffern im fünften Derby-Sieg in Folge brachte er abermals all die Kritiker zum Schweigen, die ihn schon seit Beginn seiner Karriere verfolgen. Er hatte es wohl geahnt und in Erinnerung an das Spiel von damals bewies er seiner Frau Ilary nochmals seine Liebe mit einem neuen Shirt: "Du bist und bleibst einzigartig." Für den Verein, den man seit seiner Kindheit liebt, als Kapitän zu spielen, und die Liebe seines Lebens gefunden zu haben, ist Tottis persönliches Glück.

    Meinem ersten Derby durfte ich im im April 1999 beiwohnen, Rom gewann 3-1, Lazio war damals mit Stars wie Nesta, Boksic, Nedved und Vieri gespickt. Zu der Zeit war das Stadion ein einziges Spektakel, heute ist es ein Wunder, wenn es bei einem Spitzenspiel zu zwei Dritteln gefüllt ist. Ich hoffe, dass der AS Rom – wie der gesamte italienische Fußball – wieder bessere Zeiten erleben wird. Damals ging Tottis Licht erst auf, doch mit 34 Jahren schafft er es immer noch, seine Anhänger zu verzücken. Totgesagte leben eben länger.
     
    Die Welt der Roma ist im Umbruch: Bis Ende des Monats wird der Verein an den Amerikaner DiBenedetto verkauft. Der riskante Wechsel auf der Trainerbank konnte das Ausscheiden aus der Champions League nicht verhindern, jedoch gelang es dem Neuling Montella, wieder Enthusiasmus zu entfachen und der Mannschaft eine klare taktische Marschrichtung zu geben. Nach dem 0-3 bei Donetsk hat es der ehemalige Stürmer geschafft, eine übernervöse Mannschaft mental auf das Spiel gegen Lazio vorzubereiten. Sonst waren es oft Totti und De Rossi, die als Fans auf dem Fußballplatz die Nerven verloren, dieses Mal lief es genau andersrum. Die Quittung für Lazio waren zwei rote Karten im bewegten Finale des Spiels.



    Im Meisterschaftsrennen bleibt es indes weiter spannend, auch wenn Milan mit fünf Punkten einen bequemen Vorsprung gegenüber Serienmeister Inter wahrt. Die nerazzurri sind bis Mittwoch das letzte Team, das die italienische Fahne im Europapokal hochhält. Ein fulminantes Spiel nach dem 0-1 ist in der Allianzarena zu erwarten. Doch ich kann an so etwas nur am Rande denken. Ich denke jedoch an den Tag, wenn Totti wirklich die Schuhe an den Nagel hängen wird. An dem Tag wird wirklich ein Stück Rom zu Grabe getragen. In der Hoffnung, dass es auch ohne ihn weitergehen kann.

    www.asromaultras.org

    24.02.2011

    Gott hat keine Flugzeuge mehr? Eines ist nun da.

    Totti beim 3-4 in Genua - Il Messaggero
    Wieder einmal ist es lange, lange her, dass ich etwas geschrieben habe. Da bei mir das Schreiben auch eine Form von Liebe ist, liegt die Antwort fast auf der Hand. In den letzten Monaten hatte ich mich ein wenig vom Fußball "entliebt". Das, was mich fast ausschließlich beim Fußball zählt, der AS Rom, hatte aufgehört, mit dem Herzen zu schlagen. Nur selten wie gegen die Bayern, gab es ein hysterisches Zucken. Schön blöd, so etwas zu lieben, werden sich viele zurecht nun denken. Doch wie heute Abend ein deutscher Reporter das Spiel Inter-Bayern (0-1) schön resümierte: "Niemand leidet so schön wie Italiener." Treffender hätte ich es auch nicht sagen können. Leiden als Lebensphilosophie soll mir erst mal jemand nachmachen.

    Obwohl der AS sich im Januar trotz durchwachsener Leistungen Hoffnungen machen auf den Titelkampf machen durfte, rissen im Februar die letzten Stricke, die das Team, gar den Verein, zusammenhielten. Die Bank Unicredit hat endlich seriöse Käufer für den Verein gefunden, den die hoffnungslos verschuldete Familie Sensi nach 18 Jahren abgegeben muss. Der US-Amerikaner Thomas DiBenedetto steht an der Spitze eines Konsortiums, das ab nächster Saison wohl den Verein übernehmen wird. Das Machtvakuum innerhalb des Klubs machte sich nun trotz einer klaren Zukunft noch spürbarer. Schlimmer jedoch wogen die internen Querelen zwischen dem am Wochenende zurückgetretenen Trainer Ranieri und dem Team.

    Totti und Montella in Bologna - asromaultras.org
    Neuer Hoffnungsträger auf der Bank ist nun das ehemalige Stürmeridol Vincenzo Montella, 2001 italienischer Meister mit dem AS Rom. Der 36-jährige, der bisher die U-15-Mannschaft, ist ein alter Bekannter der meisten Spieler, war er noch vor zwei Jahren Teil des Kaders. Gestern führte er im Nachholtermin beim FC Bologna, die bisher nur einmal zu Hause verloren hatten, zu einem knappen, aber verdienten 1-0. Lange hatte man das Team nicht mehr so konzentriert und diszipliniert spielen sehen, man denke nur an das Spiel am Sonntag beim FC Genoa, das nach einer 3-0 Führung noch 3-4 verloren ging.

    Mit seiner ruhigen und kollegialen Art sorgt l'areoplanino, das kleine Flugzeug, dafür, dass wieder ein gewisser Enthusiasmus zu spüren ist. Die Spieler haben wieder Selbstvertrauen gefunden, der Neid unter den Spielern scheinen verflogen. Zwar sieht man noch einige der Probleme, für die Ranieri meiner Meinung nach verantwortlich war, von der fehlenden Kondition aufgrund einer katastrophalen Vorbereitung über die taktischen Fehler durch die ständigen Umwälzungen der Mannschaft, jedoch ist wieder ein Teamgeist zu spüren. Erst dachte ich, Gott hat keine Flugzeuge mehr (Trend, hier anhören). L'areoplanino sorgt nun aber für Flugzeuge in meinem Bauch (Grönemeyer, hier anhören).

    Wie es um den italienischen Fußball allgemein steht, zeigen einerseits die 3 Heimniederlagen der drei Champions-League-Achtelfinalisten, zu denen auch Rom gehört, jedoch war das ansehnliche 1-1 im Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und Italien ein weiterer Hoffnungsschimmer, dass es langsam aufwärts gehen könnte und es doch noch ein paar italienische Spieler gibt, die Fußball spielen können. Auf lange Sicht müssen jedoch die Grundlagen geschaffen werden, um nicht im europäischen Mittemaß zu landen, ob auf Vereins- oder Nationalmannschaftsebene.
     

    Daje Vincè, facce volà! ("Bring uns zum Fliegen, Vincenzo!")

    Montella in der Meistersaison 2001 - asromaultras.org