31.08.2011

Fußballtheater in Italien, gefährlicher Flamenco in Rom

Damiano Tommasi
Überraschungen können ja allerlei Emotionen verursachen. Freude, Trauer oder auch einfach ratloses Erstaunen. Mit einigen größeren, aber auch wichtigen kleineren Überraschungen warteten die letzten Tage auf. Beginnen wir doch mit dem im vorherigen Eintrag erwähnten Streik der Serie A. Der erste Spieltag fiel aus wie dann doch zu erwarten war. Die Vereine willigten dem neuen Kollektivvertrag für die Lizenzspieler nicht zu. Die Spielergewerkschaft mit dem früheren Idol des AS Rom Damiano Tommasi als Präsidenten forderte, dass aussortierte Spieler dennoch mit der ersten Mannschaft ihres Vereins trainieren dürfen und das kein Spieler gegen seinen Willen an einen anderen Verein verkauft werden darf, was die Vereine natürlich durchsetzen möchten, um die Kosten zu senken.

Am Schluss blieb der Ligarat hart und versuchte die Schuld für den Spielausfall den Spielern in die Schuhe zu schieben. Als Vorwand wurde die kolportierte Reichensteuer genannt. Die überbezahlten Spieler würden laut Liga versuchen, die Steuer auf die Klubs abzuwälzen. In der Zwischenzeit hatte die Regierung ihr Sparpaket nach heftigen Protesten geändert, so dass die geplante Steuer gar nicht zum Tragen kommen wird. Selbige Regierung wird sich nun mit dem Fußballverband, der Liga und der Spielergewerkschaft mit dem Thema Serie A auseinandersetzen. Als ob die italienische Politik keine wichtigeren Dinge zu behandeln hätte... Nach der Länderspielpause, in der Italien gegen die Fär Öer und Slowenien die EM-Qualifikation sichern müsste, wird die Serie A mit dem 2. Spieltag beginnen, die Spieler hatten ein Einsehen, in der Hoffnung, dass es auch außerhalb des Platzes zu einer Einigung kommen wird.

Das Stadio Olimpico in Rom
Wirklich erstaunlich war das, was sich letzte Woche in der Europa-League-Qualifikation in Rom abspielte. Nach dem 0-1 bei Slovan Bratislava dachte man, die Roma würde das Rückspiel locker für sich entschieden. Totti durfte auch von Beginn an ran und strafte seinen Trainer Lügen, indem er bei weitem bester Mann auf dem Platz war und auch via Eckstoß das frühe 1-0 durch Perrotta vorbereitet hatte. Nach ca. einer Stunde hatte jedoch die haushohe Überlegenheit der giallorossi immer noch nicht zum zweiten Treffer geführt, allmählich schwanden die Kräfte. Für den negativen Höhepunkt sorgte dann Luis Enrique, der in der 70. Minute seinen Mannschaftskapitän auswechselte, was von den 50.000 im Stadio Olimpico mit Pfiffen gegen den Trainer und Sprechchören für Il Capitano quittiert wurde. Die Mannschaft verlor nicht nur seine Führungsfigur, auch die Müdigkeit machte sich bei den verbliebenen Spielern bemerkbar, was zehn Minuten vor Spielende von den Gästen aus der Slowakei eiskalt zum Ausgleich genutzt wurde.

Totti ist in Rom mehr als nur ein Spieler
Tottis Auswechslung sorgte auch bei De Rossi und den anderen Spielern, die verletzt oder gesperrt auf der Tribüne saßen, für fassungslose Gesichter. Luis Enrique setzte in der Pressekonferenz auch noch einen drauf, denn das Spiel hätte auch mit Totti nicht unbedingt gewonnen werden müssen. Zwar mag Luis Enrique auf einem guten Weg zu sein, der Mannschaft ein ansehnliches Offensivspiel zu verpassen. Nach dem peinlichen Europapokal-Aus wurden jedoch seine großen Schwächen offenbart. Der Spanier ist auch ein großer Dickkopf, der stur am ultraoffensiven und kräftezehrenden 4-3-3 festhielt und immer wieder betonen muss, dass jeder Spieler gleich behandelt wird. In Rom ist Totti primus inter pares, erster unter gleichen. Nicht nur wegen seiner Beliebtheit, sondern schlicht und einfach, weil er mit seinen Fähigkeiten und seinem Charisma auf dem Platz unersetzlich für den AS Rom bleibt. Doch das wird Enrique auch noch lernen müssen, sonst wird gibt es keinen Flamenco auf der Spanischen Treppe, sondern bloß einen heißen Eiertanz.

Bildquellen:
  1. By Goldmund100 (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (www.creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) or GFDL (www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons
  2. By Alexdevil (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (www.creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) or GFDL (www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons
  3. By LPLT (Own work) [GFDL (www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0 (www.creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

24.08.2011

From Russia with love - Der Rubel rollt, der Ball bleibt liegen

Machatschkala, Hauptstadt von Dagestan
Die wenigen Stars der Serie A, die noch nicht im Rentenalter angelangt sind, zieht es dorthin, wo heute das große Geld liegt. Alexis Sánchez nach Barcelona, Javier Pastore nach Paris, Domenico Criscito nach St. Petersburg und zu guter Letzt wird nun Samuel Eto'o bei Anzhi Machatschkala auf Torejagd gehen und dort sage und schreibe 80 Mio. Euro netto in 4 Jahren kassieren. Der Verein liegt nicht, wie der ein oder andere vermuten könnte, in Latveria, wo Doctor Doom das Sagen hat, sondern in der russischen Teilrepublik Dagestan. Wo die Liebe eben hinfällt.


Dass einiges im Argen liegt, beweist auch das Kräfteringen zwischen der Serie A und der Spielergewerkschaft, der seit wenigen Wochen der einstige römische Publikumsliebling Damiano Tommasi vorsteht. Die Spieler haben einen Streik für den an diesem Wochenende geplanten Saisonstart angekündigt, wenn ihren Forderungen nicht nachgekommen wird. In Spanien fielen bereits die ersten beiden Spieltage aus, weil der Spielerverband auf die Nachzahlung ausstehender Gehälter pocht.

Borriello und Totti im Training
Beim AS Rom dagegen ist die Stimmung nach einer gut gestarteten Vorbereitung, einigen guten Transfers schnell wieder in den Keller und somit auf dem Niveau der letzten Saison. Das Hinspiel in der Europa-League-Qualifikation bei Slovan Bratislava ging mit 0-1 verloren, trotz 64-prozentigem Ballbesitz und einem Pfostentreffer. Für große Verwirrung sorgte vor allem Neutrainer Luis Enrique, der sowohl Totti als auch Borriello erst zwanzig Minuten vor Schluss beim Stande von 0-0 einwechselte. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, wurde Borriello, letzte Saison noch vom AC Mailand ausgeliehen und im Sommer für 10 Mio. Euro fest verpflichtet, auf den Transfermarkt gesetzt, obwohl er einer der positivsten Spieler während der Vorbereitung gewesen war.

Die neue Vereinsführung unter Thomas DiBenedetto, die erst letzte Woche den Kaufvertrag unterzeichnet hat, muss nun mehrere Brände löschen. Tottis Rolle als Galionsfigur wird nun offenbar auch vom Trainer in Frage gestellt, De Rossis Vertragsverhandlungen ziehen sich in die Länge, vor allem jedoch fehlen noch drei bis vier Neuzugänge, um den Kader zu komplettieren. Der Transfer des Dänen Kjaer aus Wolfsburg, der die guten Leistungen in Palermo in der Bundesliga nicht abrufen konnte, wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Verpflichtung des italo-argentinischen Stürmers Osvaldo sorgt dagegen für wenig Begeisterung unter den Fans.

Piazza Sempione, Herzstück des Viertels Montesacro
Gerade das Mittelfeld stellt noch viele Fragezeichen auf, doch bisher gab es fast nur Absagen. Sowohl der frischgebackene U20-Weltmeister Casemiro wird weiter für den FC Sao Paolo auflaufen, während Alberto Aquilani, der beim FC Liverpool keine Rolle spielt, nicht zurückkehren wird. Der gebürtige Römer - unsere beiden Väter drückten im Stadtteil Montesacro zusammen die Schulbank - wird zum AC Mailand wechseln, weil der AS Rom nur an einem Leihgeschäft interessiert war.

Alles in allem steht dem italienischen Fußball wieder eine spannende Saison bevor, wobei es jedoch vor allem außerhalb des Platzes heiß hergeht. Der aktuelle Fußballskandal lässt immer noch viele Fragen offen, wohl waren vor allem einzelne Profis und ehemalige Spieler aus unteren Ligen involviert, jedoch handelten die zuständigen Institutionen äußerst schnell. Serie-A-Aufsteiger Atalanta Bergamo startet mit 6 Minuspunkten in die Saison, mehrere Spieler wurden aus dem Verkehr gezogen.

07.08.2011

Der AC Mailand ist Berlusconis Piratenpartei

Gestern wurde die neue Fußballsaison in Italien gestartet. In Peking... Einigen Marketingstrategen sei dank.* Milan als Meister traf im Nationalstadion, dem von den Olympischen Spielen 2008 berühmten "Vogelnest", auf den Pokalsieger Inter im Spiel um die italienische Supercoppa. Dabei hatten die rossoneri wie auch in der letztjährigen Serie A die Nase vorn und drehten die Partie in der zweiten Hälfte mit den Toren von Ibrahimovic und Kevin-Prince Boateng, nachdem Wesley Sneijder mit einem herrlichen Freistoß Inter noch die verdiente Pausenführung gesichert hatte.

Inters Neuzugang Ricardo Álvarez in der Milanzange.
Alles in allem handelte es sich um ein ansehnliches Spiel, in dem Inter unter seinem neuen Trainer Gasperini gefällige Kombinationen zeige, wobei der argentinische Neueinkauf Ricky Álvarez positiv auffiel. Noch vor wenigen Monaten war der 23-jährige Mittelfeldspieler den wenigsten bekannt, als der "argentinische Kakà" plötzlich bei mehreren europäischen Klubs in den Fokus rückte. Mit einer regelrechten Blitzaktion sicherten sich die Weltpokalsieger seine Dienste.

Álvarez war auch die einzige Neuverpflichtung auf beiden Seiten, die das Spielfeld betrat. Bei Milan fehlten die ablösefrei verpflichteten Abwehrspieler Mexès und Taiwo sowie das italienische Offensivtalent El Shaarawy, während Inter noch auf den brasilianischen Rechtsverteidiger Jonathan verzichtete. Ebendieser Jonathan könnte Maicon ersetzen, den Inter in einem Tauschgeschäft für Carlos Tevez an Manchester City abgeben könnte. Ebenso Richtung Manchester könnte vor Transferschluss Ende August auch Wesley Sneijder verkauft werden, auch wenn der niederländische Ausnahmekönner kaum zu ersetzen wäre. Es könnten also weiter Topstars aus der Serie A abwandern.

Robinho, Gattuso und Ibrahimovic mit dem Supercup.
Dass die Mailänder Topvereine der europäischen Konkurrenz hinterherhinken, ist selbst Milanboss Adriano Galliani aufgefallen. Aus dem Luxusrestaurant Serie A sei eine Pizzeria geworden. Es wirkt jedoch absurd, dass Galliani nun harte Strafen für den aktuellen Wettskandal fordert, wo doch sein eigener Verein im großen Skandal 2006 mit einem blauen Auge davongekommen war. Dass der AC Mailand wieder so erfolgreich ist, wird von Berlusconikritikern derweil begrüßt. Denn wenn es beim Fußballclub, der immer noch dem Ministerpräsident gehört, rund läuft, sieht es für den skandalumwitterten Politiker alles andere als gut aus. Da wirkt das Team mit Fußballpiraten wie Ibrahimovic und Gattuso wie ein schlechtes Omen.

* Nicht zum ersten Mal fand der italienische Supercup im Ausland statt. Bereits 1993 im Jahr vor der US-WM, spielte Milan gegen den AC Turn (1-0) in Washington. Es folgten Juventus-Parma (2-1) in Tripolis, Libyen, Juventus-Milan (5-3 n.E.) im Stadion der New York Giants und Lazio-Inter (2-1), das bereits im Nationalstadion von Peking ausgetragen wurde. Dieses Jahr kassierten Milan und Inter jeweils 3 Mio. Euro plus Bonuszahlungen und Merchandise-Einnahmen. Die chinesische Firma für Sportevents United Vansen International hat 10 Mio. Euro an die italienische Fußball-Liga gezahlt, um für drei Jahre das Großereignis auszurichten. Die italienischen Reiseveranstalter gingen dabei leer aus: Die Reisepakete im Wert von 1500-1700 Euro, ohne die Eintrittskarten, fanden keinen Absatz...