26.06.2012

Der Pirlo-technische Effekt

Ich glaube zwar nicht an Schicksal, doch seiner Ironie kann selbst ich nicht entfliehen. Nun kommt es doch zum Duell zwischen Deutschland und Italien. Die schwarz-rot-goldene Übermannschaft, die zu viele zur deutschen Atzionalparty bewegt gegen skandalumwitterte Schwalbenkönige aus dem krisengebeutelten Südeuropa? In schwarz und weiß denke ich zum Glück nicht. Deutschland ist klarer Favorit, ohne Wenn und Aber.

Das Halbfinale ist für diese italienische Mannschaft, die gezeigt hat, dass sie sehr guten Fußball spielen kann, ein großes Ergebnis. Unverbesserliche Besserwisser gibt es mehr als genug, die das italienische Team als die Inkarnation des Anti-Fußballs ansehen. Zahlen reichen als Antwort aus.
Zahlen können aber auch nicht die Dramatik, das Nervenzittern, die Poesie zusammenfassen, die ich am Sonntagabend mit meinem Vater durchlebt habe. Mit starken Kopfschmerzen, die mich schon den Samstag begleiteten, bin ich zu meinen Eltern gefahren. Das sich dazu noch metaphorische Herzrhythmusstörungen gesellen sollten, konnte ich da noch nicht erahnen.

Die Azzurri boten ein fast perfektes Spiel. Aber nur fast, es wollte ihnen einfach kein Tor gelingen. Es ging ja schon in der vierten Minute los, als Daniele De Rossi aus 27 Metern die Kugel gegen den Pfosten knallt. Dem einärmeligen Banditen brachte sein Glücksunterhemd auch später kein Glück, in der 80. Spielminute musste er wegen Problemen mit dem Ischiasnerv das Handtuch werfen.
Ohne meinen einzigen Römer habe ich an der Nationalmannschaft gerade mal halb so viel Spaß und muss mir noch mehr Sorgen machen. Der verrückte Diamanti tut es ihm in der Verlängerung gleich, mein Herz ist zu dem Zeitpunkt schon lange aus der Hose gefallen.

Als es zum Elfmeterschießen geht, denke ich nicht an das gewonnene WM-Finale 2006. Ich denke auch nicht an die traditionell schwachen Engländer. Ich hoffe nur noch, dass ich mich vor lauter Kopf- und Herzschmerzen nicht übergeben muss.

Balotelli, der es während des Spiels auch vom Mond aus versucht hatte, verwandelt gegen seinen Vereinskollegen Joe Hart. Geht doch. Nach Gerrards Treffer ist der Deutsch-Italiener Riccardo Montolivo an. Der Phlegmatiker zeigt Nerven. Es ist alles aus. Rooney gegen die Maccaroni, 2-1 England. Ich sollte nach Hause fahren. Doch da sendet der Fußballgott einen Erzengel an den Elfmeterpunkt.

Andrea Pirlo, der halb-autistische Stratege des italienischen Spiels, ist an der Reihe. Ihm bleibt keine Wahl. Er muss italienische Poesie der englischen Prosa entgegensetzen. Er wählt den cucchiaio, den Löffel. Tottis Wahnsinn bei der Euro 2000 schiesst mir ins Gedächtnis. Pirlo war nie der schnellste Spieler, seine Gedanken umso mehr. Präzise wie ein Uhrwerk und mit der Seelenruhe eines Mannes, der bereits alles erreicht hat. Pirlo-Technik gehört in jedes Stadion. Er ist der der Kopf einer Mannschaft, die in Buffon seine Arme, in De Rossi ihr Herz und in Marchisio ihre Lunge hat.

Das Dessert war damit gegessen, der englische Wille gebrochen. Young legte zu viel Wucht in den Schuss und traf die Latte, Nocerino blieb dagegen eiskalt. Cole erinnert sich daran, dass er kein Chelsea-Trikot trägt und schenkt Buffon den Ball. Der Pastafari Diamanti macht das Halbfinale perfekt.
Ich war im Glück, trotz eines hämmernden Kopfes. Mir fehlte in dem Moment keine Tablette, sondern die Musik von Ennio Morricone.

1 Kommentar:

  1. allora voglio vedere se funziona, io di pallone non ci capisco niente, pero`il cuore mi andava a mille all`ora. Bella partita! Mi e`piaciuto un sacco Pirlo e Cassano (non so perche`mi stava sempre antipatico). Le persone non si devono giudicare mai a prima vista. L´unico che avrei preso a calci in culo Supermario (Nutella), notte

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