15.06.2010

De Rossi und die Identität

Lange genug hat dieser Blog Staub angesetzt, was böte sich da besser an als der erste Auftritt der italienischen Nationalmannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika, um einen Versuch zu starten, dem Ganzen wieder Leben einzuhauchen.

Wie zu erwarten war, hat sich die squadra azzurra nicht mit Ruhm bekleckert. Die Meister des Ergebnisfußballs, die getreu dem ökonomischen Prinzip mit minimaler Leistung das Maximale zu erzielen wissen. Ähnliches spielte sich gestern Abend in Kapstadt ab. Wie so oft war es eine Standardsituation und der eklatante Torwartfehler von Vilar, der den amtierenden Weltmeistern zum Torerfolg verhalf.

Es war im Grunde keine Überraschung, dass die in der WM-Qualifikation überzeugenden Paraguayer eine gute Figur abgeben würden, gerade gegen den amtierenden Weltmeister, Opfer einer bereits 1986 gesehenen Schizophrenie. Einerseits hielt Lippi an vielen seiner Helden von Berlin trotz ihres Alters und ihrer Formschwäche fest, andererseits wurden jüngere Spieler integriert, die jedoch keinen internationalen Ansprüchen genügen.

Vor allem jedoch fehlt es der Mannschaft an Spielwitz. Weder kann diese Mannschaft, die zudem in ein nicht auf sie zugeschnittenes System gepresst wird, durch ansehnliches Kombinationsspiel nach vorne spielen, noch gibt es Spielertypen, die mit einer zündenden Idee das Spiel entfachen könnten. Der verletzte Pirlo ist der Godot, auf den Lippi wartet, doch auch der Regisseur des AC Milan hat keine gute Saison gespielt.


Gegen die Südamerikaner war das Spiel der Italiener zwar stets bemüht, die Angriffsbemühigungen wirkten jedoch stets zu mechanisch, ideenlos. Trainer Lippis Aufstellung ließ bereits zu wünschen übrig, doch auch auf dem Platz waren die Mittel der Akteure im Offensivspiel beschränkt. Es war symptomatisch, dass eine Kämpfernatur wie De Rossi für den heilbringenden Ausgleich sorgen musste. Als einer der verbliebenen Weltmeister und gerade mal 26 Jahren repräsentiert der blondbärtige Mann aus Ostia auch das Bindeglied zwischen der alten und der jungen Generation.

Für mich persönlich war es eine doppelte Freude, dass ein Römer und romanista das Tor geschossen hat. Ich bin skeptisch, was Lippis Entscheidungen anbelangt und wäre sehr überrascht, wenn die Mannschaft über das Viertelfinale hinaus kommen sollte, was in etwa der aktuellen Dimension der azzurri entspricht. Dennoch drücke ich diesen Spielern die Daumen, was sich hauptsächlich durch Gesten und Flüche ausdrückt, wie ich es auch beim Autofahren halte. Hassliebe?

Denn an etwas im Grunde so Nichtigem wie Fußball orientiere ich, wenn es um der Suche nach dem Sinn ergibt. Wo komme ich her? Was bin ich? Wo will ich hin? Die stete Suche nach der eigenen Identität spielt für einen von Gedanken durchdrungenen Menschen eine große Rolle. Umso schwerer fällt dies, wenn man Wurzeln in einem anderen Land und anderen Kultur besitzt. Ein Teil meiner Identität, einfach meiner Art zu sein, hat seinen Ursprung in den Dolomiten, in den Abruzzen und zu guter Letzt in Rom. Eine lebenslange Suche, in der das Herz mein Kompass ist. Und wenn es "zu Hause" tanzen sollte, täte es dies zu "Bella Ciao".

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