04.07.2010

Vom Sturz der Götter, von Menschen und Maschinen

Drama war mein Schlusswort im letzten Artikel, und Drama sollte uns geboten werden. Saarbrücken war in den letzten Tagen von einer unbeschreiblichen Hitze durchdrungen, das Gewicht großer Fußballmomente sollte sich für mich und die anderen Fußballbegeisterten im Wetter manifestieren. Heute morgen hat sich all die angestaute Hitze endlich entladen. Der Tag danach kommt einer Götterdämmerung gleich. Es schien so, als sei die WM 2010 fest in südamerikanischer Hand. Doch nach den Viertelfinalspielen bietet sich ein ähnliches Szenario wie bei der WM 2006, als vier Vertreter aus Europa den Titel unter sich ausmachten. Uruguay steht nun allein auf weiter Flur Deutschland, den Niederlanden und Spanien gegenüber. Vor allem jedoch wurden Argentinien und Brasilien, die zwei großen Favoriten aus Südamerika, jäh aus ihren Titelträumen gerissen.

Beide Mannschaften scheiterten letztlich auch an ihrer Überheblichkeit, ohne dabei die Verdienste des deutschen und des niederländischen Teams schmälern zu wollen. Dunga hatte aus der enttäuschenden brasilianischen Mannschaft von 2006, die dem selbst auferlegten Anspruch eines begeisternden jogo bonito nicht genügen sollte, eine rationale Mannschaft aus exzellenten Technikern geformt, die bis zum Halbzeitpfiff im Spiel gegen die Niederlande ihren Masterplan perfekt umgesetzt hatte.

Felipe Melo, der sogar Robinhos Führungstor eingeleitet hatte, wurde zur tragischen Figur. Der oft ungestüme Mittelfeldmann von Juventus Turin, der sich in Italien den unrühmlichen Titel bidone dell'anno, Mülleimer des Jahres, verdient hatte, eine Art "Goldene Himbeere" des italienischen Fußballs. Die Niederlande haben sich zu einem effizienten Uhrwerk Orange entwickelt. Vorbei die Zeiten des Totaalvoetbal, der in den Siebzigern von Cruyff und Co. zelebriert wurde. Der dominierende Offensivgedanke, der sich auch bei der EM 2008 nicht auszahlen sollte, ist einem erfolgreicheren nüchternen Stil gewichen.

Ähnlich nüchtern präsentiert sich Uruguay bei dieser WM, was den leidenschaftlich auftretenden Ghanaern zum Verhängnis wurde. Den dramatischen Höhepunkt der WM stellte wohl auch die Szene in der 120. Minute zwischen Uruguay und Ghana dar, als Suarez das sichere Siegtor für die Black Stars mit der Hand verhinderte und sich damit für seine Mannschaft opferte, um noch eine Minimalchance auf das Weiterkommen zu wahren. Asamoah Gyan, der an den Elfmeterpunkt trat, konnte die Last eines ganzen Kontinents auf seinen Schultern nicht stemmen.

Was sich dagegen am Samstag nachmittag zwischen Argentinien und Deutschland abspielte, war die Demontage eines Fußballgotts. Das frühe Standardtor für die deutsche Elf - nach zwei Jahren - war bereits das Vorzeichen für einen Tag, in dem alles richtig laufen sollte. Argentinien gelang es kaum, sein Offensivpotential in Torgefahr umzumünzen, die albiceleste wirkte immer ratloser und sah am Ende einem erneuten Torfestival des deutschen Teams ohnmächtig zu. Maradona mag mit seinem Charisma ein exzellenter Motivator für das Team gewesen sein, doch gerade in so einem Spiel fehlte eben ein wirklicher Trainer.

Deutschland begeistert mit seinem schnörkellosen, schnellen Fußball die Menschen im eigenen Land und im Rest der Welt. Wie dieser funktioniert, wird in diesem taz-Artikel wunderbar beschrieben. Die Mannschaft läuft und läuft und läuft wie ehemals der in der ganzen Welt beliebte Käfer. Dem perfekt geschmierten Motor wird mit Müller ein wichtiges Zahnrad gegen Spanien fehlen.

Die Spanier selbst haben jedoch mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen, deren perfekte Kurzpassspiel kam auch gegen die taktisch geschulten Paraguayer oft ins Stottern, doch die Iberer konnten sich wieder auf einen überragenden David Villa verlassen. Lange schien es, als sollte die Partie als größte Ansammlung von technischen Peinlichkeiten in die Geschichte eingehen, bis der turbulente Elfmeterwahnsinn in der Mitte der zweiten Hälfte Pfeffer ins Spiel brachte.

Es ist der Tag nach der große Sause, die Alkohol- und Deutschlandfahnen von gestern sind verschwunden, mit all den sympathischen und weniger freundlichen Gesichtern, die die Fahnen zeigen. Schland ist nicht immer ein Sch...land.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen