09.07.2010

Deutschland, das Opium ist alle

Die Betäubung hielt fast bis zum Schluss und nahm ein jähes Ende. Ein ganzes Land in Trance, in den Farben des Hambacher Festes gehüllt, musste zusehen, wie die Seele seiner bis dahin furios aufspielenden Mannschaft von Angst aufgefressen wurde. Das gewisse Quentchen Erfahrung fehlte bei den "jungen Wilden", der Europameister war eine Klasse abgebrühter, hatte von Beginn an die Fäden des Spieles in seiner Hand, rechtfertigte schließlich mit einer selten gefährdeten Dominanz den Finaleinzug.

Zum Halbfinale zwischen Deutschland und Spanien bleibt auch nicht viel mehr zu sagen, wie schon bei der WM vor vier Jahren unterlag die wohl unterhaltsamste Mannschaft des Turniers einem etwas reiferen Gegner und sollte darum erhobenen Hauptes als Verlierer vom Platz. Leider vergessen immer noch zu viele, dass gerade der Sport eine "Kultur des Verlierens" lehren kann, manchmal ist eben der Gegner besser oder hat das Glück auf seiner Seite.

Was mich vor allem fasziniert bei solchen Turnieren, ist die hypnotische Wirkung auf die Bevölkerung, die der Erfolg der geliebten Mannschaft auslösen kann. Der nationale Fußball ist gerade seit 2006 auch in Deutschland als Religion anerkannt. Eine Religion, der fast alle erliegen. Und hier trifft das berühmte Zitat "Religion ist Opium für das Volk" voll ins Schwarze. Die eigenen Sorgen sind wie verflogen, die großen Probleme im ganzen Land sind vergessen. Wehe, es reicht nicht zum ganz großen Glück, dann folgt die große Ernüchterung.

Bei zu vielen Idioten, anders kann man solche Personen nicht nennen, löst diese Ernüchterung gewalttätige Reaktionen aus, so auch in Saarbrücken. Glücklicherweise habe ich davon nichts bekommen, aber in vorherigen Artikeln habe ich genug über meine eigenen Erfahrungen mit den xenophoben Auswüchsen von Länderspielen erzählt. Dass auch die Verlierer mit den Gewinnern feiern können, durfte ich vor vier Jahren in Neunkirchen erleben, als der Großteil der enttäuschten deutschen Fans in der Innenstadt mit den Italienern feiern konnte. Oder diese zumindest in Frieden ließ.

Ich hoffe, dass das Spiel um den 3. Platz, so undankbar die Teilnahme daran auch sein mag, dennoch ein weiteres Fußballfest bieten wird, wie es doch oft genug während der K.O.-Runde der Fall war. Vielleicht rafft sich auch das Team aus Deutschland auf und bringt seinen Motor wieder zum Laufen. Eine Mannschaft, die noch viele spannende Fußballgeschichten schreiben kann, nun aber erst hungrige Uruguayer besiegen müssen. Denn das sollte nach dem Halbfinale klar sein: Von alleine lassen sich Spiele nicht gewinnen.

Am Sonntag im Finale wird es eine weltmeisterliche Premiere geben, darüber sollte sich jeder neutrale Fußballfan freuen. Auf der einen Seite Spanien, die gegen Deutschland ihr tiqui taca genanntes Spiel wieder entdeckt haben, auf der anderen Seite die Niederlande, die unaufhörliche ihre Siege einfahren.  pulen Ein Fußballfest könnte es zwar auch werden, doch wer den Fußball kennt weiß, dass dies bei Finalspielen selten der Fall ist. Auf die Spannung, die klirrende Hitze auf dem Platz, die die Luft auch in meiner Umgebung zum Vibrieren bringen wird, freue ich mich jetzt schon.

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